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Wie können sich Versicherer gegen die verheerenden Folgen der Inflation schützen?

Wie können sich Versicherer gegen die verheerenden Folgen der Inflation schützen?
Kurz zusammengefasst
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Die Versicherungsbranche ist aus verschiedenen Gründen ungewöhnlich anfällig für die Inflation – ein Phänomen, das negative Auswirkungen auf beiden Seiten der Bilanz europäischer Versicherungsgesellschaften haben kann.
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Um die negativen Folgen der Inflation zu mindern, sollten Versicherer über konventionelle Anlageklassen – vor allem traditionelle Fixed Income Anlagen – hinausblicken und alternative Formen des Risikomanagements in Betracht ziehen.
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Private Credit und Real Assets (Sachwerte) wie Immobilien, Infrastruktur und Rohstoffe können Versicherern helfen, aktuelle und künftige Herausforderungen besser zu bewältigen.

Auch wenn Europa die schlimmste Phase der pandemiebedingten Ungewissheit überwunden haben mag, bleibt die Investmentlandschaft schwierig. In vielerlei Hinsicht befinden wir uns mitten in einem perfekten Sturm.

Einem Sturm, der durch eine geballte Ladung geopolitischer Spannungen, volatiler Renditen, steigender Zinsen und Rezessionsgefahren entfacht worden ist. Für die Versicherer dürften die weitreichenden Auswirkungen der Inflation auf ihre Geschäftsgrundlagen die größte Herausforderung darstellen.

In diesem Artikel untersuchen wir die spezifischen Risiken, denen Versicherer auf beiden Seiten ihrer Bilanz ausgesetzt sind. Außerdem skizzieren wir eine Reihe potenzieller kurz- und längerfristiger Probleme und erläutern, warum viele Versicherer jetzt von einer Ausweitung ihrer traditionellen Asset Allokation auf alternative Anlageklassen profitieren könnten.
 

Ein herausforderndes Umfeld

Die COVID-19-Pandemie und die von ihr ausgelösten außergewöhnlichen fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen haben zum ersten erheblichen und anhaltenden Kaufkraftverlust des 21. Jahrhunderts geführt. Die Inflation hat in der ganzen Welt Einzug gehalten. In einigen Ländern ist sie so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Die Auswirkungen in Europa sind gravierend, aber ungleich verteilt. Im Juli lag die jährliche Inflationsrate in der Europäischen Union (EU) nach den offiziellen EU-Statistiken bei 9,8%, gegenüber 2,5% ein Jahr zuvor. Am niedrigsten war die Inflation in Frankreich und Malta mit 6,8%, am höchsten in Estland mit 23,2%1.

Besondere Aufmerksamkeit hat die Situation in Großbritannien erregt: Einer Prognose zufolge könnte die Inflation hier bis Januar 2023 auf über 18% klettern.2 Die Bank of England, die im Frühjahr noch damit gerechnet hatte, dass die Inflation im vierten Quartal 2022 mit 10% ihren Höchststand erreichen würde, hat diese Zahl im August auf 13,3% korrigiert und eine Rezession prognostiziert.3

Natürlich werden die Preise nicht dauerhaft so stark steigen. Historische Analysen des Zusammenhangs zwischen dem Geldmengenwachstum und der Inflation signalisieren, dass die schwerwiegendsten Auswirkungen der Inflation im Allgemeinen zwölf bis 24 Monate lang zu spüren sind.4

Dennoch müssen Anleger aller Art ihre Portfolios vor den negativen kurz- und langfristigen Folgen der Geldentwertung schützen. Das gilt auch für Versicherer.
 

Die Inflation aus Sicht der Versicherer

Die Versicherungsbranche ist aus verschiedenen Gründen ungewöhnlich anfällig für die Inflation. Fast alle Vermögenswerte der Versicherer werden – direkt oder indirekt – von den Inflationserwartungen beeinflusst. Das gilt für Lebensversicherer genauso wie für Sachversicherer.

Viele Versicherungsverbindlichkeiten sind ebenfalls direkt oder indirekt mit der Inflation verknüpft – künftige Verwaltungsausgaben zum Beispiel oder Restschuldforderungen, Leibrenten oder Krankenversicherungs-/Rechtsansprüche.

Im Gegensatz zu vielen anderen Marktrisiken kann ein Anstieg der Inflationserwartungen daher beide Seiten der Bilanz eines Versicherers in Mitleidenschaft ziehen. So kann eine hohe Inflation zu einem Rückgang der Vermögenswerte und einem gleichzeitigen Anstieg der Verbindlichkeiten führen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen der Inflation und anderen Marktrisiken, denen Versicherer ausgesetzt sind, besteht darin, dass die Inflation oft teilweise verschleiert wird. Beispielsweise kann sie an eine bestimmte Komponente der versicherungstechnischen Rückstellungen und nicht an eine allgemein verwendete Benchmark wie den Einzelhandelspreisindex oder den Verbraucherpreisindex (VPI) gebunden sein.

Darüber hinaus messen viele Versicherungsgesellschaften die Inflation nur indirekt. Selbst unter Solvency II werden die mit der Geldentwertung verbundenen Risiken nicht direkt berücksichtigt, da das Regelwerk keine spezifischen Kapitalanforderungen für das Inflationsrisiko enthält.5

Wie anfällig sind Schadenversicherer und Lebensversicherer für Inflationsrisiken?

  • Schadenversicherer haben Verbindlichkeiten in Form von Schadenrückstellungen, die dazu bestimmt sind, künftige Schäden zu begleichen. Diese Zahlungen werden höher als erwartet ausfallen, wenn die Inflation über der angenommenen Rate liegt, die in diese Rückstellungen einberechnet wurde.

  • Die Verbindlichkeiten der Schadenversicherer sind zumeist relativ kurzfristig. Daher werden auch die Vermögenswerte in der Regel in Anleihenstrategien mit kurzer Duration gehalten. Neben der Möglichkeit, die Prämien bei jeder Vertragserneuerung anzuheben, kann eine derartige Allokation einen teilweisen Schutz gegen eine steigende Inflation bieten.

  • Lebensversicherer können von einer milden Inflation sogar profitieren. Auf lange Sicht können Neubewertungen an den Anleihemärkten zu attraktiven Renditen für die Versicherungsnehmer führen. Dagegen stellt die Deflation ein größeres Risiko dar.

  • Lebensversicherer müssen sich gegen eine explizite Inflation, wie wir sie derzeit erleben, schützen. Dazu greifen sie häufig auf inflationsgebundene Anleihen, Inflation-Linked Notes oder Inflationsswaps zurück.
Abb. 1. Inflationsrate in Europa, August 2022

Quelle: Trading Economics. 

Traditionelle Fixed Income Anlagen im Vergleich zur Inflation

Traditionelle festverzinsliche Anlagen können in einem inflationären Umfeld als sichere Option erscheinen. Versicherer sind in der Regel große Käufer bonitätsstarker ESG-Anleihen – die oft mit einem Rating von A oder höher bewertet werden – sowie von Investment-Grade (IG)-Anleihen. Diese Vermögenswerte bilden die Grundlage für die Erträge aus ihrem Anlagevermögen.

Diese hochwertigen ESG-Anleihen erscheinen jedoch recht teuer und liefern keine ausreichenden Renditen, um die jährliche Güterpreisinflation auszugleichen – im Gegensatz zu den Renditen aus Private Credit-Anlagen, auf die wir später noch eingehen werden. Generell ist es durch die Inflation zu einem Anstieg der Anleiherenditen gekommen, was zu beträchtlichen nicht realisierten Verlusten in den Bilanzen der Versicherer geführt hat. Rückblickend könnte man argumentieren, dass viele Investment Grade-Anleihen im ersten Halbjahr 2022 zu teuer waren. Außerdem haben ihre Renditen nicht ausgereicht, um die Inflation auszugleichen.

Aus Sicht der Versicherer können auch inflationsgebundene Anleihen interessant erscheinen. Diese können eine sinnvolle Option zur Diversifizierung von Portfolios und zur Absicherung des Risikos einer fehlenden Bedeckung der Verpflichtungen darstellen. Dabei sollten jedoch einige potenziell wichtige Aspekte beachtet werden.

Eine Anlage in inflationsgebundene Anleihen ist im Grunde genommen eine Wette darauf, dass die Zentralbanken den Kampf um die Kontrolle der Inflation verlieren und die Inflation längerfristig ein Problem bleibt. Mit ihrer aktuell negativen Realrendite sind diese Anleihen – außer als Teil einer Asset-Liability-Matching-Strategie – nicht besonders attraktiv. Inflationsgebundene Anleihen sind eine sehr vage Absicherung gegen die Inflation der Schadenrückstellungen, die sich stark von den Schwankungen des VPI unterscheidet.

Welche Möglichkeiten haben Versicherer vor diesem Hintergrund jenseits traditioneller Anleihenanlagen? Damit kommen wir zur stellvertretenden Inflationsabsicherung und den zu erwartenden Vorteilen eines Multi Asset-Ansatzes in einem sehr unsicheren Marktumfeld.

Ein Multi Asset-Ansatz für einen besseren Inflationsschutz

Im Anleihenuniversum gibt es eine Reihe von Vermögenswerten, die in einem inflationären Umfeld besser abschneiden können als eine typische Investment Grade-Anleihenstrategie. Ein wesentliches Ziel der Versicherer sollte darin bestehen, die Inflation auszugleichen und höhere Anlagerenditen als konkurrierende Sparangebote zu erzielen.

Ein erstes Beispiel ist die Anlageklasse Senior Secured Loans (SSL) – nicht börsennotierte Schuldverschreibungen, die von Unternehmen häufig im Rahmen von Leveraged Buyouts, Fusionen oder Übernahmen ausgegeben werden. Dabei handelt es sich um syndizierte, von Ratingagenturen bewertete Kredite. 

Senior Secured Loans zielen darauf ab, hohe laufende Erträge mit dem Schutz vor Zinserhöhungen und dem Kreditrisiko im Falle einer Rezession zu kombinieren. Eine besondere Stärke von Senior Secured Loans besteht darin, dass sie trotz ihrer Klassifizierung als Nicht-Investment-Grade-Investments über zahlreiche Mechanismen verfügen, die Gläubiger vor einem Zahlungsausfall schützen bzw. im Insolvenzfall ihre Position gegenüber allen anderen Kapitalgebern stärken.

Ebenfalls im Private Markets-Bereich können Versicherer von den vorteilhaften Kapitalanforderungen für Darlehen ohne Rating im Rahmen von Solvency II6 profitieren. Darüber hinaus könnten sie durch die erheblichen Illiquiditätsprämien von Private Credit-Anlagen ausreichende Erträge zum Ausgleich der Inflation erzielen. Nicht zuletzt können die Bewertungen nicht börsennotierter Vermögenswerte eine günstige Absicherung gegen Marktschwankungen darstellen.

Die meisten Versicherer sind bereits in erheblichem Umfang in Immobilien engagiert. Immobilien gelten seit Langem als Anlageklasse, die einen relativ zuverlässigen Inflationsschutz bietet, was vor allem daran liegt, dass die von Unternehmen gezahlten Mieten eng an Inflationsbenchmarks wie den VPI gebunden sind.

So sind auch die Wohnkosten ein wesentlicher Bestandteil des VPI. Die Mieteinnahmen unterliegen häufig inflationsbedingten Anpassungen. Daher bieten sich besonders attraktive Anlagemöglichkeiten in vermieteten Immobilien, Hotels, Mehrfamilienhäusern und anderen Bereichen mit zumeist kurzfristigen Mietverträgen.

Da die Versicherer jedoch bereits im Eigenkapital von Gewerbeimmobilien engagiert sind, sichern sie sich häufig dadurch gegen das wirtschaftliche Risiko ab, dass sie in den vorrangigsten Teil der Kapitalstruktur von Immobilienprojekten investieren: Senior Loans und Whole Loans.

Auch bei vielen Infrastrukturprojekten, an denen staatliche Akteure beteiligt sind, liegt eine starke Bindung an den VPI und andere Benchmarks vor. In diesem Sektor sind explizite vertraglich festgelegte VPI-Anpassungen am häufigsten vorzufinden.

Wie die Ereignisse der vergangenen Monate deutlich gemacht haben, sind die Rohstoffpreise ein weiterer wesentlicher Treiber der Inflationsvolatilität. Damit könnte das Inflationsrisiko auch durch eine Anlage in diese Assetklasse abgesichert werden, wobei zu beachten ist, dass die Kapitalanforderungen unter Solvency II sehr hoch sind (49%). Insbesondere Gold gilt seit Langem als effektiver langfristiger Inflationsschutz.
 

Fazit: Auf die Diversifikation kommt es an

Ein wirksamer Inflationsschutz erfordert eine Bewertung des Risikos und die Identifizierung von Vermögenswerten, die das Risiko angemessen mindern. Für Versicherer wie auch für alle anderen Anlegertypen dürfte die Diversifikation hier eine entscheidende Rolle spielen.

Wie das Global Investors’ Forum on Inflation von Invesco vor Kurzem feststellte, beschränken sich die Herausforderungen des aktuellen wirtschaftlichen Umfelds nicht auf die erschwerte Renditesuche. Sie umfassen auch Vorsorgemaßnahmen für potenzielle künftige Ereignisse.

Wir sind davon überzeugt, dass ein Engagement in Private Credit im Rahmen eines Multi Asset-Ansatzes Versicherern eine attraktive Kombination aus höheren Renditen und Minderung des Kreditrisikos bieten kann. Es ist ein gutes Beispiel für die Komplexitätsprämie: Um in diesem weniger zugänglichen Marktsegment mit seinem komplizierten Risiko-Ertrags-Profil erfolgreich anzulegen, bedarf es besonderer Kompetenzen.

Gleichzeitig glauben wir, dass Real Assets mit direktem Inflationsbezug eine gute Ergänzung zu anderen Elementen der Anlageportfolios von Versicherern darstellen können. Aus Sicht der Versicherer könnte sich insbesondere ein stärkeres Engagement in Immobilien, Infrastruktur und Rohstoffen lohnen.

Unsere alternativen Investmentstrategien

Wir bieten ein umfangreiches Spektrum alternativer Investments und verwalten in diesem Bereich ein Vermögen von über 199 Mrd. US-Dollar.[7] Unsere Größe und Reichweite in Verbindung mit unserem breiten Angebot ermöglichen es uns, flexibel auf Ihre Anforderungen einzugehen, egal, in welche Richtung die Märkte sich entwickeln.

Fußnoten

  • 1Siehe zum Beispiel Europäische Union, Eurostat: „Jahresrate der Inflation im Euroraum steigt auf 8,9%“, 22. August 2022.

    2Siehe zum Beispiel Financial Times: „UK inflation to hit 18.6% next year, according to Citi”, 22. August 2022.

    3Siehe zum Beispiel Bank of England: Monetary Policy Report – August 2022, 2022.

    4Siehe zum Beispiel Invesco: „Anticipating inflation: historical and multi-asset perspectives“, 17. März 2021.

    5Die Inflation könnte als Teil des Zinsrisikomoduls von Solvency II betrachtet werden, das die Versicherer dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (ORSA) einen Aktionsplan zu erstellen.

    6Solvency II ist eine Richtlinie nach EU-Recht, die die Versicherungsvorschriften in der Europäischen Union kodifiziert und harmonisiert.

    7Quelle: Invesco, 30. Juni 2022.

Wesentliche Risiken

  • Der Wert einer Anlage und die Erträge hieraus können sowohl steigen als auch fallen und es ist möglich, dass Anleger den ursprünglich angelegten Betrag nicht zurückerhalten.

Wichtige Informationen

  • Diese Marketing-Information ist nur zur Illustration und stellt keine Empfehlung dar, in eine bestimmte Anlageklasse, Finanzinstrument oder Strategie zu investieren. Das Dokument unterliegt nicht den regulatorischen Anforderungen, welche die Unvoreingenommenheit von Anlageempfehlungen/Anlagestrategieempfehlungen sowie das Verbot des Handels vor der Veröffentlichung vorschreiben.  

    Die in diesem Material dargestellten Prognosen und Meinungen sind subjektive Einschätzungen und Annahmen des Fondsmanagements oder deren Vertreter. Diese können sich jederzeit und ohne vorherige Ankündigung ändern. Es kann keine Zusicherung gegeben werden, dass die Prognosen wie vorhergesagt eintreten werden.

    EMEA 2578327/2022