Die Lage scheint sich entspannt zu haben. Eine Eskalation des US-Iran-Konfliktes könnte aber unterschiedliche Folgen für verschiedene Anlageklassen haben.
Nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA am 3. Januar und dem iranischen Vergeltungsschlag mit Raketenangriffen auf zwei US-Stützpunkte im Irak am 7. Januar, bei denen niemand zu Schaden kam, scheint sich die Lage entspannt zu haben. Für die Investoren bleibt eine mögliche Eskalation des US-Iran-Konfliktes allerdings ein Sorgenfaktor. Wir halten einen Krieg zum aktuellen Zeitpunkt zwar für unwahrscheinlich; Anleger sollten sich aber über die potenziellen Auswirkungen eines solchen Worst-Case-Szenarios für die Märkte bewusst sein.
Kriege haben meistens Bärenmärkte zur Folge …
In den vergangenen 100 Jahren gehörten Kriege zu den eindeutigeren Auslösern von Bärenmärkten für Aktien. Unser Team hat verschiedene Faktoren analysiert, die seit 1915 mitverantwortlich für Bärenmärkte waren,1 und eine hohe historische Korrelation mit Kriegszeiten festgestellt. Im Zeitraum 1915 bis 2018 gab es 28 Baissephasen an den Aktienmärkten. Militärische Auseinandersetzungen spielten dabei nicht immer eine Rolle (nur in etwa 30% der Fälle). Aber in rund 80% der Fälle, in denen weltweit Kriege geführt wurden, kam es anschließend zu einer Baisse – häufiger als bei anderen Faktoren wie Rezessionen, steigenden Arbeitslosenraten, invertierten Zinsstrukturkurven oder höheren Inflationsraten. Anders ausgedrückt ist ein Krieg keine notwendige Bedingung für einen Bärenmarkt, hat aber in der Vergangenheit ausgereicht, um einen solchen auszulösen.
Das gilt insbesondere für Konflikte im Nahen Osten mit potenziell negativen Auswirkungen auf die Ölversorgung (ein starker Anstieg des Ölpreises dämpft die Unternehmensinvestitionen und den Konsum und schädigt die Wirtschaft so noch stärker). Deutlich wird das am Beispiel des Jom-Kippur-Kriegs von 1973, der zu einem starken Anstieg des Ölpreises führte, die Weltwirtschaft in die Krise stürzte und die Aktienkurse einbrechen ließ.
… aber Aktien haben sich zumeist relativ schnell wieder erholt
Das ist aber noch nicht alles. In einer ähnlichen Analyse haben wir uns angesehen, wie sich die Aktienmärkte während sechs der in diesem Zeitraum geführten Kriege entwickelt haben (Erster und Zweiter Weltkrieg, Kuba-Krise, Sechstagekrieg, Jom-Kippur-Krieg, Kuwait-Krieg und Irak-Krieg).2 Wie wir festgestellt haben, hat der US-Markt gewöhnlich innerhalb von zwölf Monaten nach Aufflammen eines Konfliktes (und damit gewöhnlich vor Ausbruch des eigentlichen Krieges) seinen Tiefpunkt erreicht und sich zumeist innerhalb von 18 Monaten wieder auf dem Niveau eingependelt, auf dem er sich vor dem Konflikt bewegt hatte.2
Auch sollte nicht vergessen werden, dass die weltweite Abhängigkeit vom Öl aus dem Nahen Osten dank der massiven Ausweitung der Ölproduktion in den USA heute geringer ist als in der Vergangenheit. Gleichzeitig ist die Weltwirtschaft insgesamt nicht mehr so abhängig vom Öl, weil sie inzwischen weniger energieintensiv ist als noch vor wenigen Jahrzehnten. Das könnte auch etwaige negative wirtschaftliche Auswirkungen eines größeren Konfliktes zwischen den USA und dem Iran mindern.
Was könnte ein anhaltender US-Iran-Konflikt für Anleger bedeuten?
Investoren sollten die Nachrichtenlage genau verfolgen und sich für mehrere mögliche Auswirkungen einer Eskalation rüsten:
- Wahrscheinlich würde es zu einem Ausverkauf von Risikoanlagen kommen, den vor allem die Aktien energieintensiver Unternehmen und die Märkte im Nahen Osten zu spüren bekommen dürften.
- Wir würden mit einer guten Performance von „Sichere Hafen“-Anlagen wie Gold, japanischen Yen, Schweizer Franken und US-Staatsanleihen rechnen.
- Obwohl die Welt heute weniger abhängig von Energie aus dem Nahen Osten ist, würden wir eine deutliche Verteuerung von Öl (und anderen Energierohstoffen) sowie eine relative Outperformance von Branchen wie Öl und Gas oder Versorgung (deren Preise häufig an die Großhandelspreise für Energie gekoppelt sind) erwarten.
- Auf Faktorebene dürfte eine höhere Risikoabneigung zu Mehrerträgen für weniger volatile Aktien führen.
- In den Entwicklungsländern dürften Nettoenergieverbraucher (wie China und Indien) schlechter abschneiden als energieproduzierende Märkte außerhalb des Nahen Ostens (wie Russland und Mexiko). Erhebliches Aufwärtspotenzial sehen wir am russischen Aktienmarkt, der mit einer über dem Kurs-Gewinn-Verhältnis liegenden Dividendenrendite aktuell günstig erscheint und sich durch eine hohe Gewichtung des Energiesektors auszeichnet.
- Aus den im letzten Stichpunkt genannten Gründen könnten auch der russische Rubel und der mexikanische Peso profitieren.
- Schließlich könnten sich US-amerikanische Hochzinsanleihen gut halten. Die Anlageklasse könnte eine größere Risikoabneigung zu spüren bekommen, ist aber ebenfalls stark im Energiesektor vertreten, was für gute Unterstützung sorgen könnte.
Nicht vergessen werden sollte auch, dass ein etwaiger Ausverkauf an den Märkten durch die sehr akkommodierende Geldpolitik der US-amerikanischen Notenbank und anderer großer Zentralbanken etwas abgefedert werden dürfte.
Fazit
Zusammenfassend glauben wir, dass die Spannungen zwischen dem Iran und den USA andauern, aber begrenzt bleiben werden. Einen Krieg halten wir zum aktuellen Zeitpunkt für sehr unwahrscheinlich. Für Investoren ist es aber immer ratsam, für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Daher ist es wichtig, die Marktauswirkungen vergangener Kriege und Nahost-Konflikte zu bedenken, zugleich aber auch im Blick zu behalten, wie sich die Welt seither verändert hat.
Mit Beiträgen von Tomo Kinoshita, Global Market Strategist for Japan.