Welche Volkswirtschaften könnten aufgrund der Pandemie vor die Wand fahren?
Unserer Meinung nach ist das Risiko für Südafrika und die Türkei am grössten.
Wir sind der Ansicht, dass die südafrikanische Volkswirtschaft aufgrund einer untragbaren fiskalischen Dynamik (verschlimmert durch mögliche Risiken staatlicher Unternehmen, zu deren Behebung der Regierung offensichtlich der Mut fehlt), aussenwirtschaftlicher Schwächen (strukturelle Leistungsbilanzdefizite, die durch eine Abwertung der Währung nicht zu beheben sind, da das Land nur bei Rohstoffen wettbewerbsfähig ist) und unzureichende Reserven ins Schleudern geraten könnte.
Mit ihrer enorm hohen Fremdfinanzierung, beträchtlichen Währungsunterschieden zwischen Unternehmen und Banken und einer unrealistischen politischen Abhängigkeit vom Wachstum, das mit den inländischen Ersparnissen nicht finanziert werden kann, fällt natürlich auch die Türkei in diese Kategorie.
Wir sind davon überzeugt, dass die Türkei durch ihre „kreative“ Politik im weiteren Verlauf in grosse Schwierigkeiten geraten könnte.
Die Gewinner beim Wachstum
Abgesehen von der Möglichkeit der finanziellen Ansteckung sind wir davon überzeugt, dass 2020 für die meisten grösseren Schwellenländer einer Art „Auszeit“ entsprechen wird.
Allerdings machen wir uns ernsthaft Sorgen, dass das strukturelle Wachstum in vielen grösseren Volkswirtschaften über 2020 hinaus ernsthaft beeinträchtigt sein könnte.
Diese Überzeugung basiert auf den von uns beobachteten Trends: geringeres weltweites Wachstum, strukturell niedrigere Rohstoffpreise und möglicher Schaden durch höhere Haushaltsverschuldungen.
In zahlreichen Volkswirtschaften grösserer Schwellenländer, u. a. Brasilien, Mexiko, Indien und Russland, rechnen wir für viele Jahren mit geringerem realem Wachstumspotenzial, falls nicht die dringend erforderlichen strukturellen Reformen durchgeführt werden.
Diese umfassen eine Reform der Privatisierung und staatlichen Unternehmen (in Mexiko und Indien), die Liberalisierung des Aussenhandels (in Brasilien) und Arbeitsmarktreformen (in Indien).
Wir sind davon überzeugt, dass sich die echten Gewinner in Bezug auf Wachstum in einer globalen Wirtschaft mit langsamerem Wachstum fast ausschliesslich in Asien befinden könnten.
Unter den strukturellen Wachstumsmotoren ziehen wir die Philippinen, Indonesien und Vietnam vor und allen voran natürlich die besser entwickelten Volkswirtschaften Südkoreas und Taiwans, die wir als gut positioniert und erfahrungsgemäss zuverlässig betrachten.
Starkes China
Wir rechnen in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Abkoppelung Chinas von den anderen Schwellenländern, da wir davon überzeugt sind, dass China sich im kommenden Jahrzehnt in der Welt als dominanter Wachstumstreiber erweisen dürfte.
Das Land war bereits in den letzten zehn Jahren für 30 %-40 % des Wachstums in der Welt verantwortlich,1 und wir sind davon überzeugt, dass China in diesem Jahrzehnt mehr als die Hälfte des weltweiten Wachstums erwirtschaften wird.
Wir denken, dass die Kombination aus hohen Investitionsniveaus (massive Einsparungen), starken strukturellen Reformen, nachhaltiger Verstädterung und besserer Kapitalallokation in den nächsten Jahren ein Niveau an kombiniertem realem Wachstum fördern könnte, das in einer Volkswirtschaft im Umfang von 14 Billionen US$2 unseren Schätzungen zufolge in drei bis vier Jahren die Wirtschaftsleistung von Indien generieren könnte.
Des Weiteren lassen unsere Schätzungen uns in China trotz der geopolitischen Spannungen mit einem umfassenden Hausse-Markt für Aktien rechnen.
Investitionsentscheidungen
Wir halten die allgemeine Annahme, dass alle Schwellenländer schneller wachsen als die Industrieländer, nicht für korrekt.
Als Beweis möchten wir die Tatsache anführen, dass abgesehen von China fast ein Jahrzehnt lang kein hohes Wachstum verzeichnet wurde und wir auch in der absehbaren Zukunft nicht damit rechnen.
Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass es falsch ist, das makroökonomische Wachstum als Grundlage für Investments in Schwellenländer-Aktien zu nehmen, um nachhaltige Renditen zu erzielen.
Wir meinen, dass die Investoren denselben Ansatz verfolgen sollten wie bei Investments aller Art, um mit Schwellenländeraktien langfristige Performance – oder Alpha – zu erzielen.
Dieser besteht darin, auf lange Sicht in interessante Unternehmen mit beständigem Wachstum, nachhaltigen Vorteilen und eingebetteten Realoptionen zu investieren, die im Laufe der Zeit unterbewertet wurden. Gleichzeitig sollte man in volatilen Zeiten, wie wir sie gerade erleben, die Möglichkeit bedeutender Währungsrisiken nicht vergessen.
Investitionsfälle für einzelne Unternehmen
Obwohl in keinem Schwellenland ausser China ein starkes makroökonomisches Wachstum zu verzeichnen ist, gibt es zahlreiche Investitionsfälle für einzelne Unternehmen, von denen wir viele derzeit für extrem preiswert halten.
Wir sind davon überzeugt, dass es im Schwellenmarkt-Universum zwei Arten hochqualitativer Unternehmen gibt, die über das verblüffende Potenzial verfügen, eine flächendeckende Marktpräsenz zu erlangen und so auf lange Sicht eine Outperformance zu erzielen.
- Unternehmen, die sich zwar in Schwellenländern mit geringerem Wachstum befinden, aber trotzdem über innovative Produkte oder einzigartige Vermögenswerte verfügen, die der Nachfrage in einem grossen Überseemarkt gerecht werden. Als Beispiel für diese Art von Unternehmen möchten wir Novatek3 anführen, eine in Russland börsennotierte Erdgasgesellschaft, die unserer Meinung nach aufgrund ihrer ausbaufähigen Kapitalbasis, der ausserordentlichen Umsetzung ihrer Geschäftsstrategien, einem einzigartigen technologischen Vorsprung und ihrer langfristigen Orientierung gut für starkes strukturelles Wachstum aufgestellt ist. Ebenso bleibt Taiwan Semiconductor (TSMC)3 durch die Beschränkungen ihres kleinen Binnenmarktes unbeeindruckt. Das Unternehmen beliefert rund die Hälfte des weltweiten Chip-Marktes und befindet sich an einem Knotenpunkt zahlreicher zukunftsträchtiger Technologien, einschliesslich 5G und Cloud Computing.
- Einzelne Unternehmen, die ihre Wettbewerbsvorteile im Hinblick auf Grösse und Effizienz in einem informellen wirtschaftlichen Umfeld nutzen, um Anteile an ihrem Binnenmarkt zu gewinnen. Zu dieser Kategorie zählt Femsa3, der grösste Abfüller von Coca Cola in Mexiko. Femsa gewinnt unabhängigen Einzelhändlern mit dem von ihr eingeführten, innovativen Minimarkt-Konzept mit Namen Oxxo Marktanteile ab. Oxxo ist inzwischen die weitaus grösste Minimarkt-Kette in Mexiko.4
Wegbereiter China
China ist eindeutig ein Sonderfall.
Für uns wird sich das Land weltweit zum Wegbereiter der Konjunkturerholung entwickeln und die unserer Meinung nach interessanteste Investment-Gelegenheit des nächsten Jahrzehnts bieten.
Unsere Zuversicht basiert darauf, dass wir überzeugt sind, dass China aus der aktuellen Krise gestärkt hervorgehen wird, mit nachhaltigem makroökonomischen Wachstum und einer sehr starken Währung.
Wir sind davon überzeugt, dass hochqualitative Unternehmen wie AIA3 und Ping An3, die ihr Angebot an Versicherungs- und Finanzprodukten ausbauen, um die besonderen Bedürfnisse der Kunden auf dem Festland zu erfüllen, in der Lage sein werden, ihren grösseren Marktanteil und ihre technologischen und geschäftlichen Innovationen zu nutzen.