Markt Update

„Plötzlicher Stopp“ der Wirtschaft wegen Coronavirus – Abhilfe durch effiziente Kreditversorgung

The coronavirus “sudden stop” needs credit support

Was erwartet Invesco Fixed Income angesichts der zum Erliegen gekommenen US-Wirtschaft und des Social Distancing1, die unser Leben verändert, für das zweite Quartal dieses bewegten Jahres?

Die US-Wirtschaft erlebt derzeit einen „plötzlichen Stopp“ ihres Wachstums infolge der Bemühungen zur Eindämmung des sich immer schneller verbreitenden Virus. Gleichzeitig werden die direkten Folgen des Social Distancing für Arbeitnehmer und kleine Unternehmen in der gesamten Volkswirtschaft unabwendbar sein. 

Invesco Fixed Income geht derzeit davon aus, dass die US-amerikanische und die europäische Volkswirtschaft in zweiten Quartal 2020 eine markante Kontraktion verzeichnen werden, wobei diese Prognose im Falle einer noch aggressiveren Ausbreitung des Virus gegebenenfalls noch nach unten korrigiert werden muss. 

Durch diese drastische Kontraktion, die alle Akteure der US-Wirtschaft betrifft, entsteht Finanzierungsbedarf für Unternehmen, kleine Firmen und private Haushalte. Es ist von kritischer Bedeutung, dass der Finanzierungsbedarf gedeckt wird, damit sich der exogene Schock nicht durch die US-Wirtschaft frisst und sich zu einer Finanzkrise ausweitet, die das Wachstum ersticken würde.

Deshalb muss sich die US-Wirtschaft auf Banken und andere Finanzmarktteilnehmer verlassen, um den Finanzierungsbedarf infolge des derzeitigen Stillstands zu decken. Wir glauben, dass bestimmte regulatorische Sachzwänge Banken daran hindern, dieser Rolle im Finanzsystem gerecht zu werden. 

Die US-amerikanische Federal Reserve (Fed) hat zuletzt eine Reihe von Hilfsprogrammen für die Märkte verabschiedet – einschliesslich Käufen von mit Hypotheken besicherten Wertpapieren –, doch diese schlagen nicht in der erhofften Form auf die Realwirtschaft durch. Die letzten Dienstag veröffentlichte Bilanz der Fed (Stand: 18. März) zeigte eine leicht gestiegene Inanspruchnahme von Darlehensfazilitäten (USD 28 Milliarden) nach der Ausweitung des Krisenpakets am letzten Sonntag. 

Allerdings wuchs die Bilanzsumme um USD 356 Milliarden, was überwiegend auf Ankäufe von US-Staatsanleihen (USD 117 Milliarden) und Pensionsgeschäfte (USD 200 Milliarden) zurückzuführen ist. Dennoch belegen aktuelle Daten zu Darlehen von Geschäftsbanken vom 11. März lediglich einen wöchentlichen Anstieg um USD 54,8 Milliarden. Dies zeigt, dass die Ausweitung der Fed-Bilanz noch nicht in der Realwirtschaft angekommen ist.

Ein effizient funktionierender Kreditmarkt ist von kritischer Bedeutung für die privaten Haushalte, kleine Unternehmen und die gesamte US-Wirtschaft, da er den plötzlichen Stopp infolge der Corona-Krise abfedern kann. Leider hat sich im US-amerikanischen Finanzsystem erheblicher Druck aufgebaut, so dass zusätzlich zur Gesundheits- und Wirtschaftskrise die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise gestiegen ist und die Folgen der Krise für die Finanzmärkte – und somit letztendlich für die Realwirtschaft – weiter verschärft werden.

1 Abstand zu anderen Personen halten

Regulatorische Hürden behindern die Kreditschöpfung

Die Kombination zahlreicher Faktoren verschlimmert die derzeitige, durch den Ausbruch der COVID-19-Pandemie verursachte Wirtschafts- und Finanzkrise. Dazu zählen die neuen Regulierungen für das Bankensystem und der Aufbau hoher, gehebelter Positionen durch Finanzinstitute ausserhalb des regulierten Bankensystems infolge des abrupten Einbruchs der Energiepreise.

Vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie waren die geldpolitischen Rahmenbedingungen vor allem in den USA äußerst günstig: In den letzten fünf Jahren haben sie ein moderates Wirtschaftswachstum bei niedriger Inflation und die Übernahme von Risiken gefördert. So liess Fed-Präsident Jerome Powell im Januar und Februar mehrfach verlauten, dass die US-Wirtschaft „gut aufgestellt“ sei.

Im Hintergrund wurden jedoch einige umfassende regulatorische, strukturelle und politische Änderungen implementiert, denen eine kritische Bedeutung zukommt.

Erstens wurde ab 2013 neben dem Dodd-Frank Act auch das Basel-II-Abkommen für den Finanzsektor in mehreren Etappen umgesetzt. Demzufolge müssen Banken a) erheblich höhere Kapitalanforderungen erfüllen – mindestens 4,5% der risikogewichteten Aktiva, einen Kapitalerhaltungspuffer von 2,5% und einen variablen antizyklischen Kapitalpuffer von bis zu 2,5%, b) eine Leverage Ratio (Kernkapital/Bilanzsumme) von über 3% einhalten und c) einen deutlich höheren Bestand an lastenfreien, erstklassigen liquiden Aktiva (HQLA) zur Deckung eines Liquiditätsstressszenarios von 30 Kalendertagen (sog. Mindestliquiditätsquote, engl.: Liquidity Coverage Ratio, LCR) vorhalten. 

Zwar wurden Banken dadurch erheblich stabiler, doch ihre Bilanzen befinden sich in einer Zwangsjacke regulatorischer Quoten. Dies führte dazu, dass Banken im Falle einer Kreditverknappung nicht in der Lage waren, das erforderliche Kapital und die nötige Liquidität freizusetzen.

Darüber hinaus waren Banken aufgrund der Volcker Rule des Dodd-Frank-Gesetzes gezwungen, ihre Handels- und Market-Making2-Aktivitäten im Vergleich zum Zeitraum vor der Finanzkrise deutlich zurückzufahren, weshalb sie die Schocks der aktuellen Krise nicht absorbieren können. Hauptsächlich aus diesem Grund ging die Liquidität der Markt für US-Staatsanleihen und anderer Rentenmärkte deutlich zurück.

Zweitens führten die Steuersenkungen der Trump-Regierung Ende 2017 zu einem Anstieg des Haushaltsdefizits auf USD 1 Billion im Jahr 2019. Gleichzeitig hatten die Zinserhöhungen der Fed zwischen 2015 und 2018 eine Verflachung der Renditekurve von US-Staatsanleihen zur Folge. Infolge der flacheren Kurve stiegen die Absicherungskosten für ausländische Käufer von US-Staatsanleihen, so dass sie für ausländische Investoren weniger attraktiv wurden.

Drittens reagierte das US-Schatzamt darauf mit einer grundlegenden Änderung seiner Finanzierungsstrategie und nahm im Geschäftsjahr 2018-2019 ganze 80% der Bruttomittel via kurzfristige Wertpapiere mit Laufzeiten von sechs Monaten oder darunter auf.

Viertens beschloss die Fed als Teil der Normalisierung ihrer Geldpolitik von Oktober 2017 bis August 2019, fällig gewordene Wertpapiere in ihrer Bilanz nicht mehr zu ersetzen – was auch als Quantitative Tightening (quantitative Straffung) bezeichnet wurde. Dies hatte gravierende Folgen für die Bilanzen der Banken, da ihre Rücklagen, die einen Teil ihrer HQLA bildeten, um USD 600 Milliarden zusammenschmolzen. Als Ersatz für die fehlenden Rücklagen und zum Auffüllen ihrer HQLA-Bestände kauften die Banken kurzfristige US-Staatsanleihen und durch Hypotheken besicherte Wertpapiere (MBS).

Für Banken ist der Kauf von Wertpapieren gleichbedeutend mit der Vergabe eines Kredits. Im Falle eines Kredits fliesst das Kapital auf das Einlagenkonto des Kreditnehmers, im Falle von Wertpapierkäufen auf das Konto des Verkäufers. Beide Vorgänge erhöhen die Einlagen und haben eine Ausweitung der Geldmenge zur Folge. Ungeachtet der Tatsache, dass die Kreditvergabe hartnäckig bei 4% pro Jahr verharrte und die Fed ihre Leitzinsen bis Juli 2019 nicht senkte, verdoppelte sich das Geldmengenwachstum (M2) im Jahresverlauf von 2019 von 4% auf 8% und verlieh dem Aktienmarkt damit gewaltigen Schub. Anders ausgedrückt: Die Banken haben den Staatshaushalt durch Geldschöpfung finanziert.

Fünftens: Während die Banken in den zehn Jahren von 2009 bis 2019 immer solider gemacht wurden, haben Hedgefonds3 und Private Equity4-Investoren im Hintergrund immer höhere Risiken übernommen und ihren Leverage5 erhöht. Letztere, wie auch andere Investoren, führten Carry-Trades6 in Zinskosten in Anlagewährungen, um in Wertpapiere mit höheren Renditen und oftmals von schlechterer Qualität zu investieren – mitunter in Fremdwährungen.

2 Marktteilnehmer, der durch den Kauf und Verkauf grosser Mengen eines bestimmten Vermögenswert eine Liquidität ermöglicht und ein reibungsloses Funktionieren der Finanzmärkte gewährleistet.

3 Hedgefonds sind eine besondere Form von Investmentfonds, die auf sehr spekulativen Anlagestrategien beruhen. Zugleich wird eine möglichst hohe Rendite angestrebt, mit einem deutlich höheren Risiko.

4 Private Equity – auch ausserbörsliches Eigenkapital oder privates Beteiligungskapital genannt - bezeichnet eine Kapitalbeteiligung an einem nicht börsenkotierten Unternehmen. 

5 Leverage = Hebelwirkung, durch die sich eingesetztes Kapitals infolge einer eintretenden Entwicklung überproportional verändert.

6 Bei Carry Trades nehmen Anleger einen Kredit in einer niedrig verzinsten Währung auf und legen es in Währungen mit einem höheren Zinsniveau an.

Die Fed könnte ihre Ziele durch die Senkung der regulatorischen Auflagen und die Ausweitung der Kreditausreichung erreichen.

Durch die Finanzmarktregulierung nach der globalen Finanzkrise sollte hauptsächlich sichergestellt werden, dass es nie wieder zu einer durch das Bankensystem ausgelösten Krise kommt. Die Regulierung hat wohl Früchte getragen. Das heutige Bankensystem verfügt über Kapital- und Liquiditätspuffer, die für die Stabilität des Finanzsystems kritisch sind. Wir glauben jedoch, dass einige dieser Schutzmechanismen die Flexibilität des Finanzsystems für die Abfederung des Kreditbedarfs und die Bereitstellung von Markt-Intermediation im Falle eines exogenen wirtschaftlichen Schocks, wie wir ihn derzeit erleben, beschnitten haben.

Die Fed hat schnell reagiert und das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium genutzt, um dem Stress im Finanzsystem zu begegnen und die Märkte zu stabilisieren. Die traditionellen Instrumente im Arsenal der Fed richten sich jedoch entweder via Darlehensfazilitäten an die Banken oder via Offenmarktgeschäfte7 an die sogenannten Primary Broker Dealer8. Unter normalen Bedingungen kann die Fed ihre Ziele durch Geschäfte mit diesen beiden Gegenparteien erreichen. In jüngster Zeit waren Banken und Primary Broker Dealer unserer Ansicht nach jedoch nicht in der Lage, die Kreditintervention der Fed in effizienter Weise an die Realwirtschaft durchzureichen.

Infolge der nach der globalen Finanzkrise eingeführten Regulierung müssen Banken und Broker Dealer ihre Bilanzen konservativer managen und können ihrer Rolle als Intermediäre an den Märkten nicht mehr angemessen gerecht werden. Einer der Gründe, warum die Fed ihre Bilanz in Krisenzeiten stets derart erweitern muss, ist die Tatsache, dass sie als letztinstanzlicher Dealer fungiert. Um die Liquiditätsversorgung sicherzustellen, muss die Fed aller Voraussicht nach die regulatorischen Auflagen für die Händler lockern oder direkte bzw. indirekte Geschäfte mit unkonventionellen Gegenparteien tätigen.

Unserer Ansicht nach würde die Lockerung der regulatorischen Anforderungen oder die Einrichtung von Finanzierungsfazilitäten für mehr Kreditsektoren den Zugang zu Krediten erheblich erleichtern. So würde der erleichterte Zugang zu Kreditfazilitäten wie z.B. zur Primary Dealer Credit Facility9 durch die Bereitstellung von Non-Recourse-Finanzierungen10 oder die Befreiung der Darlehensfazilität von den LCR11-Anforderungen und sonstigen regulatorischen Auflagen unseres Erachtens eine deutliche Entspannung an den Kreditmärkten bewirken und die generelle Liquidität der Finanzmärkte stärken.

Die ordnungsgemässe Funktionsweise der Märkte ist entscheidend. Wenn sich die Liquiditätslage an den Märkten nicht verbessert, besteht ein reales Risiko, dass auf eine fundamentale Wirtschaftskrise eine erneute Finanzkrise folgt. Dies würde die negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie noch potenzieren und die ohnehin bereits schwer gebeutelten US-Arbeitnehmer vor noch grössere Probleme stellen.

7 Ist ein Instrument der Geldpolitik, durch das die Zentralbank die Geschäftsbanken mit Liquidität versorgt. Dabei kauft die Zentralbank Wertpapiere unmittelbar von den Geschäftsbanken oder über die Börse.

8 Ist entweder eine Bank oder ein anderes Finanzunternehmen, das für den Wertpapierhandel mit einer nationalen Regierung zugelassen ist.

9 Primary Dealer Credit Facility (PDCF) ist eine von der Federal Reserve (Zentralbank-System der Vereinigten Staaten) geschaffene Institution, die Primary Dealers (Primärhändlern) über ihre Clearingbanken Übernachtungskredite im Tausch gegen zulässige Sicherheiten gewährt. Der PDCF stellt Kredite zur Verfügung, die am selben Geschäftstag abgewickelt werden und am folgenden Geschäftstag fällig werden.

10 Ist ein Finanzierungskonzept, bei dem mehrere Projektbeteiligte ein Investitionsvorhaben verfolgen und die Kreditgeber in der Regel nur in der Höhe des von den Projektträgern eingebrachten Eigenkapitals auf deren Bonität zurückgreifen können.

11 LCR = Liquidity coverage ratio (Liquiditätsdeckungsquote) ist eine im Zuge von Basel III (Vorschriften des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)) etablierte Kennzahl zur Bewertung des kurzfristigen Liquiditätsrisikos von Kreditinstituten.

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  • EMEA2450/2020