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Spreu und Weizen – wovon hängt das ‚Greenium‘ ab und ist es gerechtfertigt?

Good apples versus bad eggs - what determines the “greenium” and is it worth it?

Se it einiger Zeit ist zu beobachten, dass grüne Obligationen im Durchschnitt deutlich geringere Benchmark-Spreads aufweisen als konventionelle Obligationen, ein Preisvorteil für den Emittenten, der als ‚Greenium‘ bezeichnet wird. 

Wir fürchten allerdings, dass der höhere Preis nicht immer gerechtfertigt ist.

Wir halten einen aktiven und researchintensiven Ansatz für erforderlich, um zwischen Obligationen mit einem guten ESG-Profil und solchen, die in dieser Hinsicht enttäuschen könnten, zu unterscheiden. 

Was sind Nachhaltigkeitsobligationen?

Die International Capital Market Association definiert Sustainability Bonds bzw. Nachhaltigkeitsobligationen als Obligationen, bei denen die Emissionserlöse ausschliesslich zur Finanzierung oder Refinanzierung einer Kombination von ökologischen (‚grünen‘) und sozialen Projekten herangezogen werden.1

Im vergangenen Herbst kam es zu einer Welle neuer Sustainability-Bond-Emissionen, als mehrere Emittenten erstmals in diesem Bereich aktiv wurden.

Zunahme der Emissionen von Nachhaltigkeitsobligationen (Mrd. USD)
Zunahme der Emissionen von Nachhaltigkeitsobligationen (Mrd. USD)
Quelle: BNEF, Invesco.

Ein weiteres Wachstum dieses Marktes scheint vorprogrammiert, nachdem die Europäische Kommission am 16. September 2020 angekündigt hat, im Rahmen ihres Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie zusätzliche Nachhaltigkeitsobligationen im Umfang von 225 Milliarden Euro zu platzieren.

Als noch junge Anlageklasse wirft dieses Marktsegment aber mehrere neue Fragen für Obligationenanalysten und Portfoliomanager auf, die sich mit traditionellen Neuemissions- und ESG-Analysen nicht beantworten lassen und ein breiteres Research-Toolkit erfordern. 

Angesichts des von den Märkten quasi automatisch angewandten ‚Greeniums‘ (der Preisdifferenz zwischen einer grünen und nicht-grünen Obligation desselben Emittenten) scheinen sich die Marktteilnehmer noch zu wenig mit der angemessenen Bepreisung von Nachhaltigkeitsobligationen beschäftigt zu haben. Deshalb stellen wir uns die Frage: Ist das ‚Greenium‘ gerechtfertigt?

Bewertung des ‚Greeniums‘

In Bezug auf das Kreditrisiko lässt sich das ‚Greenium‘ nicht erklären: Das Ausfallrisiko (das bei globalen Investment-Grade-Obligationen glücklicherweise gering ist) und die Recovery Rate (die Erlösquote bei Forderungsausfällen) sollten für nachhaltige und nicht-nachhaltige Obligationen desselben Emittenten identisch sein. 

Allerdings dürften hier mehrere weitere Faktoren eine Rolle spielen. 

Unserer Ansicht nach muss neben den vielen üblichen Faktoren, die über die Bepreisung von Neuemissionen entscheiden – Emissionsvolumen, Emittentenrating, Seltenheit, Branche, Risikoappetit des Marktes etc. – auch das Nachhaltigkeitsobligationsprogramm des Emittenten bewertet werden. 

Aufgrund ihres Bezugs zu bestimmten Projekten werden Nachhaltigkeitsobligationen von unserer üblichen integrierten ESG-Analyse (einer Bewertung des Umwelt-, Sozial- und Governance-Profils eines Emittenten im Vergleich zu branchengleichen Unternehmen zur Ermittlung eines Gesamtratings mit Trendsignal) nur unvollständig adressiert.

Beispielsweise könnte es passieren, dass wir die Obligationen eines Emittenten mit einem hervorragenden ESG-Rating, der eine qualitativ schlechte Nachhaltigkeitsobligation an den Markt bringt, mit denen eines Emittenten mit einem unterdurchschnittlichen ESG-Rating, der eine qualitativ bessere Nachhaltigkeitsobligation begibt, vergleichen (wobei Letzteres kaum vorkommen dürfte). In diesem Fall würden wir die Nachhaltigkeitsobligationsprogramme der jeweiligen Emittenten bewerten. 

Dafür haben wir gemeinsam mit unserem Global ESG Team das IFI-Rahmengerüst für nachhaltige und grüne Obligationen (Sustainability and Green Bond Framework) entwickelt. 

Unterschiedliche Grüntöne

Der Investmentprozess - Sustainability Bond Framework
Der Investmentprozess - Sustainability Bond Framework
Quelle: Invesco, Januar 2021.

Dieser Scorecard-Ansatz betrachtet Faktoren wie die Verwendung und Handhabung der Erlöse, die Berichterstattung und die externe Verifizierung. Auf diese Weise bewerten wir, inwieweit die Nachhaltigkeitsobligationen den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) entsprechen. 

Unter ansonsten gleichen Bedingungen halten wir ein ‚Greenium‘ für gerechtfertigt, wenn die Erlöse in Projekte fliessen, die gut mit den SDGs abgestimmt sind.

Durch diese Bewertung erhalten wir eine bessere Informationsgrundlage für unsere Anlageentscheidungen, da wir der Ansicht sind, dass ein höheres ‚Greenium‘ für Obligationen mit ‚maximaler Übereinstimmung‘ gegenüber solchen mit ‚minimaler Übereinstimmung‘ gerechtfertigt sein kann. Allerdings differenzieren viele Investoren unseres Erachtens nicht angemessen zwischen Nachhaltigkeitsobligationen mit hoher und geringer Orientierung an den SDGs, sondern wenden eine pauschale Prämie auf die Anlageklasse an.

Angesichts der Tatsache, dass Obligationen gewöhnlich als entweder ‚grün‘ oder ‚nicht-grün‘ vermarktet werden, mag das verständlich sein. Wir betrachten eine unvollständige Bewertung des Nachhaltigkeitsobligationsprogramms eines Unternehmens und seiner dauerhaften Übereinstimmung mit den SDGs jedoch für ein Risiko – grün ist nicht gleich grün. 

Auch wenn eine derartige Differenzierung auf Anlegerseite heute noch nicht erkennbar ist, wird sie unserer Ansicht nach mittelfristig unvermeidbar sein. Daher halten wir es für sinnvoll, Obligationen, die nur eine minimale Übereinstimmung mit den SDGs aufweisen, schon heute zu meiden. 

Da wir neben den vielen genannten Faktoren, die bei der Bepreisung von Neuemissionen eine Rolle spielen, auch die Qualität des Nachhaltigkeitsobligationsprogramms eines Emittenten berücksichtigen müssen, können wir bei der Ermittlung des angemessenen ‚Greeniums‘ für eine Nachhaltigkeitsobligation keinen standardisierten Ansatz anwenden. 

Die ESG-Risiken unserer Portfolios werden durch Invesco Fixed Income (IFI) genau überwacht. Bei Nachhaltigkeitsobligationen wenden wir unser Sustainability and Green Bond Framework an. Dafür bedarf es eines gut ausgestatteten, erfahrenen Kreditteams, das in der Lage ist, alle genannten Aspekte zu bewerten. 

Wir bemühen uns darum sicherzustellen, dass die Credit Spreads die Verlustrisiken – einschliesslich derjenigen, die mit ESG-Risiken in Verbindung stehen – angemessen widerspiegeln. Ist dies nicht der Fall, werden die entsprechenden Emissionen von uns gemieden.

Notizen

  • 1

    International Capital Markets Association, Sustainability Bonds Guidelines, Juni 2018.

Risikohinweis

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Wichtige Hinweise

  • Stand der Daten Januar 2021 soweit nicht anders angegeben.

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    EMEA1485/2021