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Investment-Grade-Unternehmensanleihen bieten 2023 Potenzial: Ein Gespräch mit Invesco-Experten

The Big Picture – Global Asset Allocation

Einleitung

Die Wachstumsdynamik lässt weltweit nach, die Inflation ist hoch und scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben und die Finanzkonditionen sind bereits deutlich restriktiver geworden. Das Risiko einer Rezession und geldpolitischen Fehlentscheidung ist hoch und nimmt weiter zu. Vor diesem Hintergrund erscheinen defensive Vermögenswerte wie Investment-Grade-Anleihen attraktiv. Tatsächlich sind in den vergangenen Monaten auch vermehrt Anlagegelder in die Assetklasse geflossen. 

Dafür gibt es aber auch noch andere Gründe. Nach dem heftigen Ausverkauf von Anleihen im Jahr 2022 bieten Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating aktuell erstmals seit der globalen Finanzkrise wieder gute Ertragschancen zu attraktiven Bewertungen. Dabei müssen Anleger, die diese Chance nutzen möchten, kein sehr hohes Kreditrisiko in Kauf nehmen, da die Unternehmen mit soliden Bilanzen in diese Periode gestartet sind.

Angesichts des zunehmenden Anlegerinteresses an dieser Assetklasse habe ich mich mit drei unserer Experten für Investment-Grade-Anleihen zusammengesetzt. Sie haben Einblicke in ihre aktuellen Einschätzungen gegeben und einige der Fragen beantwortet, die unsere Kunden derzeit besonders beschäftigen - von der Geldpolitik bis zur ESG-Integration. 

Unsere Experten für Unternehmensanleihen

Was 2023 für Investment-Grade-Anleihen spricht

Manuel Fuchs: Mike, 2022 war ein Jahr wie kein anderes. Wie wird es deiner Meinung nach weitergehen?

Mike Matthews: Ja, das Jahr 2022 war in der Tat das schlechteste Jahr für Investment-Grade-Anleihen seit Einführung der meisten Indizes. Damit haben wir jetzt das erste Mal zwei aufeinanderfolgende Jahre mit negativen Renditen erlebt. Nach der schmerzhaften Marktkorrektur im Zuge der Inflationsbekämpfung der Zentralbanken gehen wir deutlich optimistischer ins Jahr 2023 – ich weiß, dass Lyndon und Paul meine größere Zuversicht in Bezug auf die Aussichten für die Anlageklasse teilen.

Lyndon Man Ganz genau. Nach dem extremen Marktausverkauf des letzten Jahres gibt es einen Lichtblick: die Tatsache, dass die Renditen und Bewertungen dadurch aktuell so attraktiv sind wie schon lange nicht mehr. Anleger müssen nicht mehr auf volatilere Anlageklassen wie Aktien zurückgreifen, um sich attraktive reale Einkommensströme zu sichern. Anders ausgedrückt liefern „Fixed Income“-Anlagen endlich wieder „Income“. 

Manuel Fuchs: Danke Lyndon. Ja, das ist eine interessante Trendwende. Wir sind von einem Umfeld, in dem Anleger in Aktien und illiquide Anlageklassen umschichteten, um ihre Anlageziele zu erreichen, zu einem übergangen, in dem die regelmäßigen Erträge aus globalen IG-Anleihen die Dividendenrendite globaler Aktien übersteigen.1 Paul, ich hatte ja schon kurz die Anlageflüsse erwähnt, aber vielleicht könntest du hierzu noch etwas mehr sagen. Kommen diese Veränderungen auch in den Daten zum Ausdruck?

Paul Syms: Ja, ich denke schon. Nach dem Anstieg der Renditen sind die Zuflüsse in Anleihen-ETFs im zweiten Halbjahr 2022 wieder gestiegen. Was die Zuflüsse in Anleihen-ETFs angeht, war das vierte Quartal mit Nettoneuanlagen von 11,9 Milliarden USD das insgesamt beste Quartal. Das waren mehr als 40% der gesamten Nettozuflüsse im Gesamtjahr. Und nachdem Anfang des Jahres vor allem Staatsanleihen gefragt waren, setzten sich Investment-Grade-Anleihen mit 60% der Nettozuflüsse in Anleihen-ETFs im vierten Quartal an die Spitze.

Abb. 1. Zuflüsse in Anleihen-ETFs in Q4 nach Themen

Quelle: Invesco

Manuel Fuchs: Würdet ihr sagen, dass das der Beginn einer Trendwende ist? Wie ihr wisst, haben wir im Zuge des Anstiegs der Renditen im Jahr 2022 hohe Zuflüsse in Staatsanleihen-ETFs gesehen. Kommt jetzt die Umschichtung in Kreditanlagen?

Paul Syms Gute Frage. Angesichts der drohenden Rezession in diesem Jahr würde man normalerweise erwarten, dass Staatsanleihen gut laufen werden. Aber ja, wir glauben, dass 2023 das Jahr der Kreditanlagen werden könnte – erste Hinweise darauf gibt es auch bereits in den Daten zu den Anlageflüssen. Ich sehe zwei wichtige Auslöser, die zu einer weiteren Verlagerung des Anlegerinteresses von Staatsanleihen zu Unternehmensanleihen führen könnten, und wir werden diese sehr genau beobachten. Der erste wäre ein Umschwenken der Zentralbanken von der Inflationsbekämpfung zur Wachstumsförderung. Der zweite wäre eine Ausweitung der Credit Spreads auf ein Niveau, auf dem das zusätzliche Risiko angemessen vergütet würde.

Manuel Fuchs: Und, Paul, gibt es vom Markt irgendwelche Signale, wann beides eintreten könnte? Die Frage nach einem möglichen Kurswechsel der US-Notenbank (Fed) wird von Kunden und Anlegern sehr intensiv diskutiert.

Paul Syms Wann die Fed das Ruder herumreißen wird, lässt sich nicht genau sagen, dürfte aber von der Inflationsentwicklung abhängen. Sollte es hier Anzeichen einer Verbesserung geben, könnte das auch zu einer größeren Risikobereitschaft bei den Anlegern führen.
 

Der Ausblick für die Geldpolitik: Was bedeutet er für IG-Anleihen?

Manuel Fuchs: Obwohl wir noch gar nicht beim geldpolitischen Teil unserer Diskussion angekommen sind, haben wir uns schon mit der Inflation, den Zinsen und dem Timing eines Fed-Kurswechsels befasst. Offen gesagt lässt sich das auch kaum vermeiden, da der Ausblick für Anleihen so untrennbar mit dem geldpolitischen Ausblick verbunden ist. Lyndon, Paul hat erwähnt, dass Anleger vor allem nach Hinweisen auf eine Verlangsamung oder einen Rückgang der Inflation Ausschau halten sollten. Gibt es derartige Hinweise bereits?

Lyndon Man Auf alle Fälle ist es noch zu früh für die Zentralbanken, den Sieg über die Inflation zu verkünden. Erste Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass die Inflation ihren Höhepunkt schon bald erreicht haben könnte, und auch die längerfristigen Indikatoren haben sich abgeschwächt. Dies würde die Entscheidungsträger für 2023 in eine angenehmere Lage versetzen und die Notwendigkeit für weitere Zinsanhebungen verringern. Und ich würde sagen, dass die jüngsten Äußerungen mehrerer Zentralbanken in die gleiche Richtung deuten.

Manuel Fuchs: Danke Lyndon. Mike, dazu würde ich auch gerne noch deine Meinung hören. Teilst du Lyndons Ausblick?

Mike Matthews: Ja, ich denke auch, dass die Zentralbanken den Kampf gegen die Inflation noch nicht gewonnen haben. Das Jahr 2023 hat mit einer immer noch hohen Inflation begonnen, und ich glaube nicht, dass die Zentralbanken mit ihren Zinserhöhungen schon am Ende sind. Allerdings teilen das Team und ich Lyndons Ansicht, dass der Höhepunkt der Inflation in den USA und Großbritannien vermutlich hinter uns liegt. Was das für die Märkte bedeutet? Nun, ich glaube, dass sie beginnen könnten, erste Zinssenkungen in zwölf bis 18 Monaten einzupreisen.

Manuel Fuchs: Danke Mike. Ich habe jetzt viel über die Chancen gesprochen, die wir bei IG-Anleihen sehen, und Paul hat erläutert, warum ein Fed-Kurswechsel einen wichtigen Wendepunkt für eine Realisierung dieser Chancen darstellt. Lyndon, könntest du darauf noch etwas näher eingehen?

Lyndon Man Sehr gerne. Wie Paul angedeutet hat, dürften die Kreditmärkte von einer Abkehr der Zentralbanken von ihrer restriktiven Haltung profitieren. Aufgrund der Angst vor einer Rezession sind die Spreads 2022 beträchtlich breiter geworden und liegen jetzt klar über den langfristigen Durchschnittswerten. Wenn die Weltwirtschaft die Talsohle erreicht und wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt, könnten die Spreads wieder enger werden. 

In diesem Fall wären Unternehmensanleihen mit ihren aktuell hohen Spreads vor dem Hintergrund der erwarteten Inflationsabschwächung mittel- bis langfristig durchaus attraktiv. Selbst wenn die Staatsanleiherenditen und/oder Spreads unverändert bleiben oder nochmals leicht steigen sollten, würde die zusätzliche Vergütung („Carry“) einen erheblichen Puffer für die Gesamtrendite darstellen, da der globale Unternehmensanleihenindex derzeit eine Rendite von rund 5% in lokaler Währung bietet.

Es ist sicherlich noch zu früh für die Zentralbanken, den Sieg über die Inflation zu erklären. Inzwischen gibt es aber Hinweise darauf, dass der Höhepunkt der Teuerung bald erreicht sein könnte.

Lyndon Man, Co-Head of Global Investment Grade Credit

IG-Anleihen: Risiken, wirtschaftliche Herausforderungen und Rezession

Manuel Fuchs: Lyndon, du hast die Ausweitung der Credit Spreads und die Rezessionsängste angesprochen. Höhere Spreads eröffnen einerseits Chancen für höhere regelmäßige Erträge. Sie signalisieren aber auch ein zusätzliches Risiko. Beispielsweise ist von einer Verlangsamung des Wachstums und einer Rezession die Rede. Was bedeutet das für IG-Anleihen? Mike, vielleicht machst du den Anfang.

Mike Matthews: Das stimmt, die Spreads von Investment-Grade-Anleihen sind von einem sehr niedrigen Niveau aus weiter geworden. Tatsächlich waren sie außerhalb von Krisenzeiten wie der globalen Finanzkrise selten so weit wie heute. Das spiegelt zum Teil das Ende der quantitativen Lockerung (QE) und den aggressiven Zinserhöhungszyklus wider. Es ist aber auch Ausdruck des schwierigeren wirtschaftlichen Umfelds.

Was aber spannend ist, ist, dass Investment-Grade-Anleihen aktuell höher verzinst sind als Hochzinsanleihen Anfang 2022. Außerdem können wir diese Renditen vereinnahmen, ohne mit unseren Portfolios ein zu hohes Kreditrisiko eingehen zu müssen. Anders als in anderen Krisen sind die Banken stabil und gut kapitalisiert und die Unternehmen nicht überschuldet. Diesmal sind keine systemischen Risiken vorhanden. Deshalb haben wir auch keine Bedenken, Unternehmensanleihen zu kaufen.

Manuel Fuchs: Danke Mike. Paul, du bist der ETF-Experte. Für unser Angebot an passiven Anlagelösungen ist es wichtig, dass wir unseren Kunden eine breite Palette unterschiedlicher Indexexposures bieten können, aus denen sie die für ihre Ziele, ihre Präferenzen und ihren Risikoappetit am besten geeigneten auswählen können. Würdest du Kunden, die überlegen, jetzt in Investment-Grade-Unternehmensanleihen zu investieren, das gleiche sagen wie Mike?

Paul Syms: Ja, ich stimme Mike weitgehend zu. Der risikolose Zins ist so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das bedeutet, dass Kreditanlagen jetzt eine Rendite liefern, die eine gewisse Absicherung gegen das Herabstufungs- und Ausfallrisiko bietet. Selbst wenn die Anleger im Jahr 2023 mit einem Konjunkturabschwung rechnen, erscheint das derzeitige Renditeniveau sowohl bei Investment-Grade- als auch bei Hochzinsanleihen recht attraktiv, solange es nicht zu einer tiefen Rezession kommt.

Manuel Fuchs: Stichwort Hochzinsanleihen – ein Thema, zu dem unsere Kunden wahrscheinlich gerne noch mehr hören würden: Wie attraktiv sind High-Yield-Bonds im Vergleich zu Investment-Grade-Anleihen? Wo könnten Kunden, die ihr Kreditrisiko-Exposure erhöhen möchten, fündig werden?

Mike Matthews: In unseren Portfolios bevorzugen wir aktuell Investment-Grade-Anleihen gegenüber Hochzinsanleihen. Das hat mehrere Gründe. Wir befinden uns mitten in einer Energiekrise und einer allgemeinen Lebenshaltungskostenkrise. Außerdem ist die Inflation immer noch hoch. Keiner dieser Faktoren ist förderlich für den Konsum und das Wirtschaftswachstum.

Hinzu kommt, dass wir in Großbritannien und auch in anderen Ländern an der Schwelle zu einer Rezession stehen oder bereits mitten drin stecken. Was Unternehmensanleihen und vor allem Hochzinsanleihen angeht, könnten in den nächsten Quartalen noch einige Marktbereiche Anlass zur Sorge geben.

Anders als Anfang 2022 sehen wir jetzt aber auch jede Menge Wertpotenzial. Und wie ich bereits erwähnt habe, ist das Verhältnis von Risiko und Rendite im Investment-Grade-Markt aktuell so attraktiv wie schon lange nicht mehr.

Manuel Fuchs: Danke Mike. Du hast bereits einige mögliche Risiken im Zusammenhang mit dem erwarteten Wirtschaftsausblick angesprochen. Könntest du dazu noch etwas mehr sagen, Lyndon? Auch wenn die Unternehmen mit relativ soliden Bilanzen in diese Periode gestartet sind, wird unsere Kunden interessieren, mit was für einer Entwicklung du in Bezug auf Ausfälle und Herabstufungen rechnest.

Lyndon Man: Danke Manuel. Die gute Nachricht ist, dass Ausfälle bei Emittenten mit Investment-Grade-Rating sehr selten sind, wie Abbildung 2 zeigt. Selbst in den Jahren 2008-9 erreichte die Ausfallrate in der Spitze lediglich 0,3-0,4% des Universums. Wie du bereits angedeutet hast, sind Herabstufungen in diesem Sektor der größere Sorgenfaktor.

Im Nachgang der Corona-Pandemie haben wir gerade einige Ratingheraufstufungen gesehen. Im Zuge der Wachstumsabschwächung könnte es aber im Jahr 2023 vermehrt zu Herabstufungen kommen. Angesichts der allgemeinen Bilanz- und Ertragsstärke ist eine massive Zunahme der Herabstufungen auf High-Yield-Niveau („Fallen Angels“) allerdings nicht unser Basisszenario.

Wir halten das Risiko-Rendite-Verhältnis im Investment-Grade-Markt für so attraktiv wie seit langem nicht mehr.

Michael Matthews, Co-Head of Fixed Interest
Abbildungen 2 und 3. Globale Ausfallraten (Investment Grade versus Speculative Grade) und jährliche Ratingänderungen

Quellen für die Abbildungen 2 und 3: S&P Global Ratings Research und S&P Global Market Intellegence's CreditPro®. Copyright Standard & Poor‘s Financial Services LLC, 2022. Alle Rechte vorbehalten.
*Ohne Herabstufungen auf D.

Dieses Mal sind keine systemischen Risiken vorhanden. Die Banken und Unternehmen sind in einer viel besseren Verfassung als 2008.

Michael Matthews, Co-Head of Fixed Interest

Historische Vorlagen: Parallelen und Unterschiede

Manuel Fuchs: So häufig wie in den letzten drei Jahren wurde das Wort „beispiellos“ vermutlich noch nie verwendet. Aus unseren Gesprächen mit Anlegern, Kunden und Marktstrategen gewinnen wir aber tatsächlich den Eindruck, dass das aktuelle Umfeld für uns alle neu ist.

Paul Syms: Ja, ich denke, „beispiellos“ trifft es. Kurz nach einer Pandemie erleben wir jetzt einen massiven Landkrieg in Europa. Verbraucher und Unternehmen sind gleichermaßen von den steigenden Energiekosten betroffen, die den ohnehin bestehenden Inflationsdruck nochmals verstärkt haben.

Manuel Fuchs: Ganz genau. Und ich habe den Eindruck, dass unsere Kunden von einem Anbieter wie uns Orientierungshilfe in dieser schwierigen Zeit erwarten. Mike, das ist wahrscheinlich eine schwierige Frage, aber fallen dir frühere Zeiten ein, in denen wir es schon einmal mit einem ähnlichen Umfeld zu tun hatten?

Mike Matthews: Das ist auf alle Fälle eine interessante Frage, Manuel. Ich würde aber sagen, dass sich das aktuelle Marktumfeld deutlich von anderen Phasen höherer Renditen und Spreads unterscheidet, die wir in den letzten 30 Jahren erlebt haben. Ob Dot-Com-Blase, globale Finanzkrise, Euro-Krise oder Covid-Pandemie – jedes Mal standen die globalen Zentralbanken bereit, den Märkten unter die Arme zu greifen. Heute dagegen straffen sie die Zinsen, um die Inflation einzudämmen.

Ein zweiter wichtiger Unterschied, der Anlegern Mut machen sollte, ist der Punkt, den ich bereits erwähnt habe. Dieses Mal sind keine systemischen Risiken vorhanden. Die Banken und Unternehmen sind in einer viel besseren Verfassung als 2008.

Manuel Fuchs: Danke Mike, das ist interessant. Historische 1:1-Vorlagen gibt es also nicht. Darüber sollten wir vermutlich erleichtert sein! Lyndon, was denkst du hierzu?

Lyndon Man: Ich stimme Mike zu, dass wir ein direkt vergleichbares Umfeld so noch nicht hatten. Allerdings sind in Bezug auf das aktuelle Umfeld wiederholt Parallelen zum Jahr 1994 gezogen worden, die ich durchaus interessant finde. Damals erhöhte die Fed die Zinsen innerhalb eines Jahres von 3% auf 6%, um die überhitzende Wirtschaft abzukühlen. In der Folge gingen die Zinsen leicht zurück, verharrten aber bis 1998 über 5%.

Was das für Auswirkungen auf Unternehmensanleihen hatte? Nun, am US-Unternehmensanleihenmarkt brachen die Kurse von Januar bis Juni 1994 um fast 7% ein. Im Laufe des Jahres 1995 erholte sich der Markt dann aber wieder.

Im Vergleich dazu waren die Wertverluste von Unternehmensanleihen mit 15-20% im Jahr 2022 erheblich dramatischer.

Manuel Fuchs: Und würdest du sagen, dass das Ausmaß des Abschwungs der Hauptunterschied zwischen den beiden Zeiträumen ist?

Lyndon Man: Es ist zumindest ein wichtiger Unterschied. Erwähnenswert ist auch, dass die Inflation damals mit Raten von 3% viel moderater war als heute, wo sie bei 7% liegt. Außerdem hatten wir 1995 keine Rezession, während viele im Jahr 2023 mit einer solchen rechnen, wenn die geldpolitische Straffung ihre volle Wirkung entfaltet.

Gleichzeitig hat sich aber die Investmentlandschaft für Unternehmensanleihen in den letzten drei Jahrzehnten sehr stark weiterentwickelt. Dreißig Jahre strukturell sinkender Zinsen haben den US-Markt von einem Nennwert von rund 0,6 Billionen USD im Jahr 1994 auf heute 6,6 Billionen USD anwachsen lassen!

Ebenso hat die Einführung des Euro durch die damit verbundene Marktkonsolidierung einen globalen Ansatz für Kreditanlagen begünstigt. Heutzutage können wir flexibler in den verschiedenen Märkten investieren und sogar Anomalien in der Kapitalstruktur ein und desselben Emittenten ausnutzen. Es ist also möglich, in Bereiche mit günstigeren Konditionen zu wechseln.
 

Portfoliopositionierung: wo wir aktuell Chancen sehen

Manuel Fuchs: Wir haben jetzt viel über die Marktchancen gesprochen, die sich herausbilden. Ich würde gerne etwas konkreter werden und erfahren, was genau in den von euch gemanagten Portfolios aktuell passiert. Mike, Lyndon, ihr seid beide aktive Investoren. Gibt es bestimmte Bereiche, die ihr hervorheben möchtet?

Mike Matthews: In den von mir gemanagten Portfolios haben wir unser Zinsrisiko erhöht. Außerdem haben meine GBP-Investment-Grade-Fonds erstmals seit vielen Jahren etwa die gleiche Duration wie der GBP-Investment-Grade-Markt. Darin spiegelt sich wider, dass wir zwar über eine potenziell anhaltende Inflation besorgt sind, das Zinsrisiko durch die aktuellen Renditen (d.h. Staatsanleiherenditen) aber angemessen kompensiert wird.

Manuel Fuchs: Danke Mike. Gibt es bestimmte Titel, die ihr exemplarisch hervorheben könnt?

Mike Matthews: Gerne. Auch am Primärmarkt bieten sich attraktive Anlagemöglichkeiten. Wir haben zuletzt eine ganze Reihe attraktiv bepreister Neuemissionen gesehen, sowohl am GBP-Investment-Grade-Markt als auch insgesamt, zum Beispiel bei nachrangigen Bankanleihen. Gute Beispiele sind die GBP-Anleihe von Vodafone mit einem Kupon von 5,125% und Fälligkeit 2052 sowie die GBP-Anleihe von Barclays mit einem Kupon von 8,407% und Fälligkeit 2032.

In jüngster Zeit haben wir auch in einige längerfristige GBP-Anleihen mit Investment-Grade-Rating investiert, die wir zum Emissionszeitpunkt nicht gekauft hatten, sondern in den letzten Monaten mit erheblichen Abschlägen erworben haben. Beispielsweise haben wir im Oktober die AA-geratete GBP-Anleihe von Shell mit einem Kupon von 1,75% und Fälligkeit 2052 gekauft. Die im September 2020 emittierte Anleihe wurde zu einem Preis von 38,4 aufgenommen. 

Manuel Fuchs: Lyndon, du verwaltest eine weltweit diversifizierte IG-Anleihenstrategie. Lass uns etwas darüber sprechen. Gibt es regionale Chancen, die du aktuell besonders spannend findest?

Lyndon Man: Ja, wir sehen zum Beispiel in Asien Potenzial für positive Überraschungen, nachdem China seine Wirtschaft wieder öffnet. Wir sind optimistisch in Bezug auf diese Region, vor allem im Vergleich zu den USA.

Manuel Fuchs: Danke Lyndon, das ist interessant – und etwas, über das unsere Kunden sicher gerne noch etwas mehr erfahren würden. In der Vergangenheit war die Performance der Schwellenländer eng mit den globalen Wachstumserwartungen verknüpft. Was also stimmt dich angesichts der aktuellen Rezessionsängste so optimistisch für die Region?

Lyndon Man: Das ist eine gute Frage. Unser Interesse an Asien ist vor allem der starken Outperformance des US-Marktes geschuldet, der 2022 von der Erwartung einer weichen Landung der US-Wirtschaft profitierte. Mit Blick in die Zukunft dürfte die restriktivere Geldpolitik das US-Wachstum jedoch dämpfen. Die unterschiedliche Wachstumsdynamik der beiden Regionen dürfte sich auch in der Spreadentwicklung widerspiegeln. Hinzu kommt, dass wir Wertpotenzial bei Emissionen von staatlichen und privaten Unternehmen sehen.

Manuel Fuchs: Und was ist mit Europa und Großbritannien? Die beiden Regionen haben 2022 die größte Underperformance verzeichnet, da sie direkt von den angebotsseitigen Energieschocks infolge des Russland-Ukraine-Konflikts betroffen waren. Wie sind die Aussichten hier?

Lyndon Man: Nun, nach der von dir, Manuel, erwähnten schwierigen Phase dürfte die Schwäche jetzt zu einem Großteil eingepreist sein. Auf dieser Grundlage sehen wir daher gute Chancen, dass die Region auf Basis der aktuellen Bewertungen und markttechnischen Trends outperformt, zumal die Konsenspositionierung recht pessimistisch ist.

Manuel Fuchs: Und, Paul, unsere Anleihen-ETFs sind passive Produkte. Die Frage, ob ein Manager aktiv auf regionale Chancen setzt, stellt sich hier also nicht. Auch hier geht es eher darum, den Anlegern die Wahl zu lassen.

Paul Syms: Das ist richtig. Im Investment-Grade-Segment haben wir GBP-, EUR- und USD-ETFs. Dadurch können unsere Kunden in Abhängigkeit von ihrem makroökonomischen Ausblick in die Regionen und Währungen ihrer Wahl investieren.

In Asien sehen wir zum Beispiel Potenzial für positive Überraschungen, nachdem China seine Wirtschaft wieder öffnet.

Lyndon Man, Co-Head of Global Investment Grade Credit

Berücksichtigung von ESG-Erwägungen in IG-Anleihenportfolios

Manuel Fuchs: Wir haben heute eine Vielzahl von Themen behandelt, wobei wir uns hauptsächlich auf die gesamtwirtschaftlichen Aussichten und ihre Auswirkungen auf Anlageentscheidungen konzentriert haben. Doch bevor wir zum Schluss kommen, möchte ich noch etwas Zeit auf ein längerfristiges Thema verwenden, das in keiner Diskussion fehlen darf. Reden wir über ESG, also Umwelt, Soziales und Governance. Mike, vielleicht kannst du den Anfang machen und uns etwas Kontext geben.

Mike Matthews: Gerne. In den letzten gut zehn Jahren ist ESG aus Sicht vieler Anleger von der Kür zur Pflicht geworden. Es ist kein „Nice-to-Have“ mehr, sondern ein „Have-to-Have“. Traditionell ist die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei Anleihen etwas schwieriger als bei Aktienanlagen. In mancher Hinsicht sind Unternehmensanleihen aber ein guter Startpunkt.

Für die Führungsteams der Unternehmen ist die Tatsache, dass Aktionäre Stimmrechte haben, ein Anreiz, positive ESG-Veränderungen voranzutreiben. Anleiheninhaber können gemeinsam mit den Aktionären auf die Managementteams der Unternehmen einwirken.

Manuel Fuchs: Danke Mike. Ein wichtiger Faktor ist natürlich, dass ESG-Anlagen Kunden die Möglichkeit bieten, ihre Portfolios mit ihren Werten abzustimmen. Es gibt aber auch finanzielle Vorteile.

Lyndon Man: Genau. Abgesehen von ethischen Erwägungen sollten Anleger bedenken, dass viele Kreditereignisse auf Fehlentwicklungen in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren zurückzuführen sind. Daher ist es uns wichtig, ESG als wesentlichen Aspekt in unserem Kreditresearch-Prozess zu berücksichtigen. Unsere Analysten bewerten das Kredit- und ESG-Profil sowie die entsprechenden Trends für alle von ihnen analysierten Emittenten.

Manuel Fuchs: Paul, Mike hat das Konzept des aktiven Engagements vorgestellt und Lyndon das Konzept des aktiven Kreditresearchs. Ein geläufiger Irrglaube ist, dass ETFs nur in begrenztem Maße ESG-Faktoren berücksichtigen können. Ist das etwas, das du anders sehen würdest?

Paul Syms: Auf alle Fälle. Bei den ersten ESG-ETFs ging es nur um den Ausschluss umstrittener Sektoren und Aktivitäten. Seither ist jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien entstanden, die die Lücke zwischen einfachen Ausschlusskriterien und „Best-in-Class“-Ansätzen schließen, bei denen die Unternehmen ausgewählt werden, die am meisten Gutes tun.

Beispielsweise beziehen sich viele der vom ESG-Team von Invesco geleiteten Engagement-Dialoge auf unsere gesamte physisch investierte Fondspalette. Anders ausgedrückt profitieren passive Anleger von unseren aktiven Engagement-Prozessen. Meiner Ansicht nach ist das eines der besten Beispiele für die Vorteile der globalen Präsenz von Invesco.

Manuel Fuchs: Paul, das Konzept eines ESG-Spektrums wird immer wieder angesprochen: Kunden sollen die Möglichkeit haben, die ESG-Produkte auszuwählen, die ihren Werten und Zielen am besten entsprechen. Ich weiß, dass unser Produktentwicklungsteam in den letzten Jahren hart daran gearbeitet hat, die Palette der ESG-Lösungen, die wir anbieten, deutlich zu erweitern.

Mike, alle von deinem Team gemanagten Anleihenprodukte berücksichtigen ESG-Faktoren - vor kurzem habt ihr aber auch einen Artikel-8- und einen Artikel-9-Fonds an den Markt gebracht. Könntest du näher erläutern, wie sich diese Ansätze unterscheiden?

Mike Matthews: Gerne. Die von uns angebotenen Artikel-8- und Artikel-9-Produkte sind keine reinen Investment-Grade-Strategien, haben aber eine nennenswerte Allokation in Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Jeder der Fonds hat ein Klimaziel und ein finanzielles Ziel: die Unterstützung der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft.

Was bedeutet das in der Praxis? Nun, einerseits die Vermeidung von Emittenten wie konventionellen fossilen Kraftstoffunternehmen. Obwohl diese in erneuerbare Energien investieren, glauben wir, dass sie noch viele Jahre sehr stark von ihren Öl- und Gasaktivitäten abhängig sein werden. Darüber hinaus wählen wir aber auch aktiv Unternehmen aus, die größere Fortschritte als ihre Wettbewerber machen.

Das kann bedeuten, dass wir unser Engagement in Bereichen wie grüne Energie und Elektrofahrzeuge erhöhen. Es kann aber auch bedeuten, dass wir in Unternehmen in CO2-intensiven Sektoren investieren – wenn sie schnellere Fortschritte machen als ihre Wettbewerber.

Manuel Fuchs: Lyndon, du hast vor kurzem ebenfalls ein Artikel-9-Produkt an den Markt gebracht. Außerdem hast du begonnen, Netto-Null-Ziele in drei deiner IG-Unternehmensanleihenportfolios zu integrieren. Gibt es etwas, das du zum Abschluss unserer heutigen Diskussion noch ergänzen möchtest?

Lyndon Man: Danke Manuel. Ich möchte nur noch einmal kurz auf den letzten Punkt zurückkommen, den Mike angesprochen hat, nämlich das Konzept des Investierens in ESG-Fortschritte und der ESG-Perfektion. Das ist ein wichtiger Punkt und der meiner Ansicht nach beste Ansatz, um realwirtschaftliche Veränderungen voranzutreiben. Deshalb setzen wir ein koordiniertes Engagement-Programm um, mit dem wir die Emittenten auf ihrem Weg zum Ziel Netto-Null-Emissionen unterstützen wollen. Alle Bereiche der Wirtschaft müssen ihre Dekarbonisierung vorantreiben, damit wir das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen. Desinvestitionen können zwar ein nützliches letztes Mittel sein – eine aktive Interessenwahrnehmung (Active Ownership) ist unserer Ansicht nach aber häufig der wirkungsvollere Ansatz.

Manuel Fuchs: Vielen Dank euch allen für diese interessante Diskussion. Ihr habt uns viel Stoff zum Nachdenken gegeben. Das Jahr 2022 war – vorsichtig ausgedrückt – interessant und mit Blick auf 2023 gibt es einiges zu bedenken. Sollten Sie noch Fragen haben, beantworten wir diese gern. Nehmen Sie dazu bitte Kontakt mit uns auf.

Warum Invesco für IG-Anleihen?

Wir bei Invesco investieren seit mehr als 45 Jahren an den Anleihemärkten. Unsere mehr als 200 Investmentprofis verfügen über umfassende Investmenterfahrung in allen Bereichen der Anleihemärkte, von Unternehmens- über Staatsanleihen bis hin zu Währungen.

Investment-Grade-Anleihen sind seit jeher Bestandteil unserer Anleihenplattform. Dadurch haben wir in diesem Bereich weitreichende Expertise aufgebaut und verschiedene Konjunkturzyklen und Krisenereignisse – von der globalen Finanzkrise bis zum Corona-Schock – erfolgreich gemeistert. Einige unserer IG-Anleihenexperten begleiten uns schon lange auf diesem Weg. Mike Matthews ist einer von ihnen. Er ist seit 1995 bei Invesco und heute Co-Leiter unseres Fixed Interest Teams in Henley-on-Thames. Lyndon Man und Paul Syms sind ebenfalls bereits seit elf beziehungsweise fünf Jahren bei Invesco und seit rund 20 Jahren in der Investmentindustrie tätig.

In Verbindung mit unserer Innovationsstärke bildet diese Expertise die Grundlage für eine breite Palette von aktiven und passiven Anleihelösungen mit unterschiedlichen geographischen Schwerpunkten und Anlagestilen. Mit unserem wachsenden Angebot an ESG-Lösungen helfen wir unseren Kunden zudem, ihre Portfolios auf ihre Werte abzustimmen. Seit 2022 bieten wir auch ein als Artikel-9-Fonds gemäß SFDR klassifiziertes IG-Anleihenportfolio.

Investment-Grade-Anleihen

„Investment-Grade“-Anleihen sind Unternehmensanleihen, die von hochklassigen Unternehmen mit einem geringen Ausfallrisiko emittiert werden. Die verschiedenen Ratingagenturen (Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) verwenden etwas unterschiedliche Definitionen.

  • Moody’s Baa3 oder höher
  • Standard & Poor’s und Fitch: BBB- oder höher

Investment-Grade-Unternehmensanleihen bieten in der Regel höhere Renditen als bonitätsstarke Staatsanleihen. Damit vergüten sie das zusätzliche Kreditrisiko, das Investoren mit dem Kauf dieser Anleihen eingehen. Darüber hinaus ist ihr Ausfallrisiko im Vergleich zu bonitätsschwächeren Anleihen (z. B. Hochzinsanleihen) immer noch gering und sie sind weniger volatil als Aktien.

 

Außerdem können Investment-Grade-Unternehmensanleihen Diversifikationsvorteile bieten, da sie Anlegern die Möglichkeit geben, in eine Vielzahl unterschiedlicher Wirtschaftssektoren zu investieren. Sie werden an einem großen und liquiden Sekundärmarkt gehandelt.

In einem Konjunkturabschwung steigt das Risiko, dass Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

 

Unternehmensanleihen sind zwar risikoreicher als hochklassige Staatsanleihen, als „Investment Grade“ werden aber nur Unternehmen eingestuft, deren Ausfallrisiko sehr gering ist. Das größere Risiko für Investment-Grade-Unternehmen ist das einer möglichen Ratingherabstufung.

 

Ein aktives Kreditresearch kann helfen, dieses Risiko zu reduzieren. 

In Phasen eines breiten konjunkturellen Aufschwungs liefern Unternehmensanleihen tendenziell enttäuschende Gesamtrenditen. Obwohl die Credit Spreads in dieser Phase zumeist enger werden, was zu einer Outperformance gegenüber Staatsanleihen führt, ist die Zentralbankpolitik der wichtigste Treiber. Und wenn die Zentralbanken die Zinsen anheben, steigen die Renditen, was das Potenzial für hohe Anlagerenditen aus festverzinslichen Anlagen reduziert. In allen anderen Phasen des Konjunkturzyklus schneiden Unternehmensanleihen dagegen in der Regel gut ab.

Wesentliche Risiken

  • Der Wert einer Anlage und die Erträge hieraus können sowohl steigen als auch fallen und es ist möglich, dass Anleger den ursprünglich angelegten Betrag nicht zurückerhalten.

Wichtige Informationen

  • Stand aller Daten ist das angegebene Datum. Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Angaben von Invesco.

    Dieses Marketingdokument stellt keine Empfehlung dar, eine bestimmte Anlageklasse, Finanzinstrument oder Strategie, zu kaufen oder verkaufen. Das Dokument unterliegt nicht den regulatorischen Anforderungen, welche die Unvoreingenommenheit von Anlageempfehlungen/Anlagestrategieempfehlungen sowie das Verbot des Handels vor der Veröffentlichung vorschreiben.

    Die in diesem Material dargestellten Prognosen und Meinungen sind subjektive Einschätzungen und Annahmen des Fondsmanagements oder deren Vertreter. Diese können sich jederzeit und ohne vorherige Ankündigung ändern. Es kann keine Zusicherung gegeben werden, dass die Prognosen wie vorhergesagt eintreten werden.