In der Wahrnehmung der Anleger gehören Versorgerwerte seit Langem zu den langsam wachsenden, defensiven Portfoliobausteinen. Das könnte sich schon bald ändern.
Der Countdown für ein stärkeres klimapolitisches Engagement läuft. Auf dem Anfang November in Glasgow stattfindenden Klimagipfel COP26 wollen die globalen Regierungen ehrgeizige neue Schritte beschließen, um das Ziel „Netto-Null-Emissionen“ zu erreichen, nachdem die sogenannte Net-Zero-Agenda als Instrument staatlicher Konjunkturpolitik bereits durch die postpandemischen Wiederaufbaumaßnahmen zusätzlichen Anschub erhalten hat.
Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ist zweifellos ambitioniert, wird jedoch den Anstoß für eine 30-jährige strukturelle Wachstumsphase mit bedeutenden zusätzlichen Investitionen in fast allen Wirtschaftssektoren geben. Die allgemeine Elektrifizierung ist der tiefgreifendste Wandel – und macht die Versorgungsunternehmen aus Sicht der Aktienmärkte zum offensichtlichsten Gewinner.
Wir gehen davon aus, dass die Net-Zero-Agenda zu einer enormen Veränderung des Wachstumsprofils der Versorgungsunternehmen führen wird, die vom Markt nicht in vollem Umfang wahrgenommen wird. Darüber hinaus hat Europa mit dem Green Deal der EU eine globale Vorreiterrolle im Klimaschutz angenommen. Bei erfolgreicher Umsetzung könnte dieser auch von anderen Ländern als Fahrplan in eine klimaneutrale Zukunft übernommen werden. Die europäischen Versorgungsunternehmen können ihre starke globale Positionierung nutzen, um ihr Wachstum weiter voranzutreiben.
Außerhalb der Versorgungsindustrie beobachten wir zudem die Herausbildung ähnlicher Geschäftsbereiche innerhalb der europäischen Ölkonzerne als potenzielle Treiber der Wertschöpfung. Auch sie können vom Green Deal der EU profitieren.
Was ist Netto-Null?
Netto-Null umfasst vier wesentliche Schritte. Die bei Weitem wichtigsten Komponenten betreffen die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und die Elektrifizierung der Wirtschaft. Diese werden in erster Linie durch die Umstellung auf eine Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erreicht werden.
In der EU beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieerzeugung derzeit 43% und der Anteil des Stroms am Endenergieverbrauch 20%. Hier wird es erheblicher Verschiebungen bedürfen. Klar ist, dass wir noch ganz am Anfang dieser Transformation stehen. Der jüngste Kostenverfall hat eine schnellere Marktdurchdringung möglich gemacht, da fossile Brennstoffe nicht mehr wettbewerbsfähig sind.