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Drei wichtige Erkenntnisse aus dem Bericht zur Geldpolitik der Fed

Drei wichtige Erkenntnisse aus dem Bericht zur Geldpolitik der Fed
Drei wichtige Erkenntnisse aus dem Bericht zur Geldpolitik der Fed

Vor einer Woche schrieb ich an dieser Stelle, dass ich mir in dieser Woche vor allem den neuen Fed-Bericht zur Geldpolitik genau ansehen würde, da er Einblicke in die aktuellen Überlegungen der US-amerikanischen Notenbank gibt. Am Freitag veröffentlichte die Fed diesen halbjährlichen Bericht, bevor sich ihr Vorsitzender, Jerome Powell, im Rahmen des halbjährlichen „Humphrey-Hawkins Testimony“ am 11. und 12. Februar den Fragen des Kongresses stellte. Wie üblich behandelte der Bericht mehrere Sonderthemen. Im Folgenden sehen wir uns die wichtigsten Erkenntnisse zu folgenden drei Themen genauer an: die Lage im verarbeitenden Gewerbe in den USA, die Rolle geldpolitischer Regeln in unsicheren Zeiten und der Coronavirus-Epidemie.

Erkenntnis Nr. 1: Der letztjährige Einbruch im verarbeitenden Gewerbe war relativ begrenzt

Aufgrund des letztjährigen Produktionsrückgang in der US-Industrie und Sorgen über ein mögliches Übergreifen dieses Abschwungs auf den Rest der Wirtschaft beschäftigt sich die Fed in ihrem Bericht mit dem Thema Industrie und Konjunkturzyklen.

Die Schwäche im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2019 führt sie auf eine Reihe unterschiedlicher Faktoren zurück, darunter auch die Handelskonflikte. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Abschwung in der Industrie relativ moderat war und deutlich ausgeprägter sein müsste, um auf andere Teile der Wirtschaft überzugreifen. Wie sie außerdem anmerkt, ist es in vergangenen Expansionsphasen wiederholt zu moderaten Abschwüngen in der Industrie gekommen.

Meiner Ansicht nach lässt die Fed in ihrer Analyse aber einen wichtigen Faktor unberücksichtigt: die bedeutende Rolle, die sie und andere Notenbanken im vergangenen Jahr spielten, als es darum ging, die negativen Folgen der Handelskonflikte auf die Industrie und damit die Gesamtwirtschaft abzumildern. Dass der Abschwung im verarbeitenden Gewerbe nicht stärker ausgefallen ist, haben wir politischen Interventionen zu verdanken — für mich ist das die wichtigste Erkenntnis.

Erkenntnis Nr. 2: Regeln sind dazu da, gebrochen werden zu werden

Ein weiteres Sonderthema im Bericht zur Geldpolitik ist die Rolle geldpolitischer Regeln in unsicheren Zeiten. Die Fed gibt einen kurzen Überblick über diese Regeln — zum Beispiel die Taylor-Regel, wonach die Fed die Zinsen anheben sollte, wenn die Inflation und die Beschäftigung hoch sind, und die Zinsen senken sollte, wenn Inflation und Beschäftigung niedrig sind.

Die Fed betont, dass die aus diesen Regeln abgeleiteten geldpolitischen Schritte von Faktoren wie dem längerfristigen neutralen realen (oder „natürlichen“) Zinssatz abhängen, der sich ändern kann (wahrscheinlich sinkt). Die wichtigste Erkenntnis aus diesem Abschnitt des Fed-Berichts ist, dass sich die Fed nicht auf eine regelbasierte Geldpolitik verlassen will, solange es Unsicherheiten bezüglich wesentlicher Annahmen gibt, die Auswirkungen auf diese Regeln haben. Diese Aussage untermauert das, was die Fed im vergangenen Jahr mit ihren drei als „Versicherung“ gedachten Zinssenkungen gemacht hat, die nach strikter Auslegung dieser Regeln nicht erforderlich gewesen wären.

Der Bericht zur Geldpolitik erinnert uns auch daran, dass die Fed derzeit eine strategische Überprüfung ihrer geldpolitischen Instrumente und Kommunikationsmethoden durchführt, wobei sie ihr duales Mandat – Preisstabilität bei einer möglichst hohen Beschäftigung – im Blick hat. So heißt es im Bericht: „Gegenstand der Überprüfung sind die Fragen, mit welcher geldpolitischen Strategie die Fed ihr duales Mandat künftig am besten erfüllen kann, ob die bestehenden geldpolitischen Instrumente ausreichend sind, um das duale Mandat dauerhaft zu erfüllen, und wie die Fed ihre Geldpolitik besser kommunizieren und erklären kann.“

Interessanterweise hat die Europäische Zentralbank (EZB) für dieses Jahr ebenfalls eine strategische Überprüfung ihres geldpolitischen Instrumentariums angesetzt. Ich bin sehr gespannt, zu welchen Schlüssen beide Notenbanken kommen werden – und vermute, dass dies zumindest die EZB zu experimentelleren geldpolitischen Instrumenten führen könnte.

Erkenntnis Nr. 3: Das Coronavirus könnte negative Folgen für die Weltwirtschaft haben

Der wohl meistbeachtete Abschnitt des Berichts zur Geldpolitik war jedoch eine knappe Anmerkung zu den potenziellen Folgen des Coronavirus für die Weltwirtschaft: „Der jüngste Coronavirus-Ausbruch könnte zu Unterbrechungen in China führen, die auf andere asiatische Staaten und die restliche Weltwirtschaft übergreifen könnten.“ Die ohnehin von der Coronavirus-Angst infizierten Märkte schien die Tatsache, dass die Fed diesen Virus-Ausbruch für bedeutend genug hielt, um ihn in ihrem halbjährlichen Bericht zu erwähnen, am Freitag noch mehr zu verunsichern, woraufhin die Kurse am amerikanischen Aktienmarkt einbrachen und die Renditen von US-amerikanischen Staatsanleihen sanken.

Zudem war die Fed mit ihrer Warnung nicht allein. Larry Kudlow, Wirtschaftsberater im Weißen Haus, erklärte, dass China die im Phase-1-Handelsabkommen für das erste Quartal vereinbarten Käufe von US-Agrarprodukten aufgrund der Coronavirus-Epidemie möglicherweise nicht erreichen könne — wobei er und Chinas Präsident Xi Jinping aber weiterhin davon ausgehen, dass China die vereinbarte Jahresquote bis Ende 2020 erfüllen wird. 

EZB-Präsidentin Christine Lagarde äußerte sich ebenfalls zu den potenziellen Risiken durch das Coronavirus: „Während die Gefahr eines Handelskrieges zwischen den USA und China zurückgegangen zu sein scheint, sorgt das Coronavirus für neue Unsicherheit.“1 Genau so sehe ich das auch. Seit Jahresanfang 2020 scheint das Coronavirus den US-chinesischen Zollstreit als Hauptquelle der Verunsicherung erst einmal verdrängt zu haben.

Es gibt viele Parallelen zwischen diesen beiden Quellen der Unsicherheit, nicht zuletzt die Tatsache, dass sich das Epizentrum jeweils in China befindet, und dass ihre wirtschaftlichen Folgen weltweit zu spüren sein dürften. Chris Williamson, Ökonom bei IHS Markit, erläutert: „Das Coronavirus aus Wuhan ist ein neuer Faktor, der Wirtschaft und Handel lähmen könnte. Daher erwarten wir, dass die Eurozone eine Rezession im Jahr 2020 zwar vermeiden wird, sich aber schwertun wird, eine Wachstumsrate von 1,0% zu erreichen.“2 Die stellvertretende Gouverneurin der Bank of Canada, Carolyn Wilkins, hat signalisiert, dass die kanadische Zentralbank die Epidemie mit höchster Wachsamkeit beobachte, da sich das Coronavirus über Lieferkettenunterbrechungen und einen tieferen Ölpreis negativ auf die kanadische Wirtschaft auswirken könnte.

Trotz der Sorgen über diesen Virus-Ausbruch herrscht allgemein die Einschätzung, dass es sich vermutlich um ein sehr kurzfristiges Problem handeln wird — was es vom US-chinesischen Handelsstreit unterscheidet, bei dem lange kein Ende in Sicht war. Das könnte auch die positivere Reaktion der Märkte auf die geleistete geldpolitische Unterstützung erklären. Als der Handel in China nach dem chinesischen Neujahrsfest in der letzten Woche wieder aufgenommen wurde, gaben die Kurse am Montag, dem 3. Februar, um 7,7% nach — erholten sich dann bis zum Ende der Woche aber wieder deutlich und schlossen mit nur noch 3,4% im Minus.3 Die staatlichen Interventionen zeigen eindeutig Wirkung.

Die Ereignisse der vergangenen Woche haben uns einmal mehr gezeigt, welchen enormen Einfluss staatliche Institutionen wie die Fed, die EZB und die chinesische Zentralbank haben. Sie verfügen weiterhin über schlagkräftige politische Instrumente. Diese haben sie bereits genutzt, um die negativen Folgen der Handelskonflikte abzumildern — gegen das Coronavirus könnten sie sie erneut einsetzen (die chinesische Zentralbank tut dies bereits). Viele Zentralbanken stellen derzeit mit großer Disziplin ihre geldpolitischen Instrumente auf den Prüfstand und bewerten ihre geldpolitischen Strategien. Daher bin ich der Ansicht, dass Investoren nicht in Panik verfallen sollten – auch wenn die Nachrichten wahrscheinlich erst noch einmal schlechter werden. Trotz der Aussicht auf eine potenziell höhere Volatilität sollte die Geldpolitik für gute Unterstützung von Risikoanlagen, vor allem Aktien, sorgen.

Der neutrale reale Zinssatz (auch als natürlicher Zinssatz bezeichnet) ist der Realzins, der in einer Wirtschaft gelten würde, wenn Vollbeschäftigung herrschte und die Inflation ihrem Zielwert entspräche.

Quellen

  • 1

    Quelle: Reuters, „ECB says economic impact of coronavirus may be temporary“, 5. Feb. 2020.

  • 2

    Quelle: IHS Markit, 5. Feb. 2020.

  • 3

    Quelle: Bloomberg, L.P. Chinesische Aktien gemäß Shanghai Stock Exchange Composite Index, einem kapitalisierungsgewichteten Index, der die tägliche Kursentwicklung aller an der Börse in Shanghai notierten A- und B-Aktien abbildet.

  • Blog-Foto: Studio Firma/ Stocksy

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  • Daten vom 10. Februar 2020, sofern nicht anders angegeben.

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  • EMEA1169/2020