Der EU-Ansatz
Die EU hat eine ganze Reihe neuer Regulierungs- und Handelsinstrumente entwickelt, um gegen die als wettbewerbswidrig empfundenen Handelspraktiken Chinas und anderer Länder vorzugehen.
Eines davon ist die neue Verordnung zur Kontrolle drittstaatlicher Subventionen (Foreign Subsidies Regulation – „FSR“)2, die es der Europäischen Kommission ermöglicht, im EU-Binnenmarkt tätige Unternehmen zu untersuchen und abzustrafen, wenn der Verdacht besteht, dass sie von ausländischen Subventionen profitieren. Das internationale Beschaffungsinstrument (International Procurement Instrument, IPI)3 ermöglicht es der Kommission, den Zugang von Nicht-EU-Unternehmen zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten der EU einzuschränken, wenn die Regierungen dieser Länder Unternehmen aus der EU keinen vergleichbaren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen gewähren. Schließlich gibt das Instrument gegen wirtschaftlichen Zwang durch Drittländer (Anti-Coercion Instrument, ACI)4 der EU die Möglichkeit, Handelsbeschränkungen gegen Länder zu verhängen, die versuchen, EU-Mitgliedstaaten zu Maßnahmen zu drängen, die ihren Interessen zuwiderlaufen.
Die FSR wurde bereits in gewissem Umfang eingesetzt, um gegen Bieterkonsortien mit chinesischer Beteiligung für ein rumänisches Solarprojekt und einen bulgarischen Auftrag für die Herstellung von Zügen zu ermitteln, sowie für eine allgemeine Untersuchung chinesischer Firmen, die im Offshore-Windsektor der EU tätig sind.
Neben der Einführung dieser neuen handelspolitischen Instrumente hat die EU auch mehrere traditionelle Handelsschutzuntersuchungen eingeleitet. Dazu gehören die schlagzeilenträchtige Antisubventionsuntersuchung zu importierten E-Fahrzeugen aus China und eine Antidumpinguntersuchung zu chinesischem Biodiesel.
Antisubventionsuntersuchung zu E-Fahrzeugen
Im Oktober 2023 kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eine Antisubventionsuntersuchung zu Importen von Elektrofahrzeugen aus China an. Ungewöhnlich war, dass das Verfahren nicht in Reaktion auf eine Beschwerde eines Branchenverbands oder Unternehmens eingeleitet wurde, sondern von der Europäischen Kommission auf eigene Initiative (ex officio) angestoßen wurde.
Dass die EU Kommission selbst die Untersuchung einleitete, verdeutlicht den fehlenden Konsens unter den Autoherstellern in der EU darüber, ob zusätzliche Zölle auf Importe chinesischer E-Fahrzeuge erhoben werden sollten, und bietet den Unternehmen aus der EU, die chinesische Vergeltungsmaßnahmen befürchten, eine gewisse politische Absicherung. Bei der Sammlung von Beweisen für ihre Untersuchung konzentrierte sich die EU speziell auf drei Unternehmen in chinesischem Besitz: BYD Group, Geely Group und SAIC Motor Corporation.
Vor einigen Monaten veröffentlichte die EU die vorläufigen Ergebnisse ihrer Untersuchung, die ergab, dass die „Wertschöpfungskette für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEVs) in China von einer unfairen Subventionierung profitiert, wodurch den Herstellern in der EU wirtschaftlicher Schaden droht.“
Am 20. August gab die EU in einer Mitteilung,5 neue endgültige Zölle auf Elektrofahrzeuge aus China bekannt, die zusätzlich zur bestehenden Abgabe von 10% erhoben werden. Die vorläufigen Zölle werden wie folgt angewendet:
- BYD Group: 17,0%
- Geely Group: 19,3%
- SAIC Motor Corporation: 36,3%
- Andere BEV-Hersteller in China, die an der Untersuchung mitarbeiteten, aber nicht in die Stichprobe einbezogen wurden: 21,3%
- Alle sonstigen Unternehmen: 36,3%
Auf Nachfrage von Tesla stimmte die Europäische Kommission zudem einer weiteren unternehmensspezifischen Untersuchung dieses Unternehmens zu. Für Einfuhren von Tesla-Fahrzeugen aus China fällt eine zusätzliche Abgabe von 9% an.
Bis November wollen die EU-Staaten entscheiden, ob die Zölle dauerhaft für fünf Jahre erhoben werden. Gestoppt würden die vorgeschlagenen Zölle nur, wenn sich mindestens 15 EU-Staaten, die zusammen mindestens 65% der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen, gegen den Vorschlag aussprechen.
In einer geheimen, beratenden Abstimmung am 16. Juli stimmten laut Medienberichten nur vier EU-Mitgliedstaaten (Zypern, Ungarn, Malta und die Slowakei) gegen die Zölle; elf Staaten enthielten sich. Das Basisszenario ist daher, dass die vorgeschlagenen Zölle noch vor Ende dieses Jahres auf eine dauerhafte Grundlage gestellt werden, auch wenn sich die Abgabenhöhe im Einzelfall noch ändern könnte.
Die Zölle werden chinesische E-Fahrzeuge kaum vollständig vom EU-Markt verdrängen, könnten aber ihren Preisvorteil verringern. Untersuchungen der Rhodium Group zufolge wären Zölle von 40-50% oder mehr erforderlich, um die EU für chinesische Exporteure unattraktiv zu machen. Tatsächlich signalisieren ihre Untersuchungen, dass der EU-Absatz chinesischer BEVs auf dem derzeitigen Niveau immer noch rentabel wäre.