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Warum sich Anleger für ein offenes Metaverse interessieren dürften

Why investors should support an open metaverse

Leben imitiert Kunst

Der Wettlauf um den Aufbau eines vollwertigen Metaverse ist in vollem Gange. Wie diese virtuelle Welt am Ende aussehen wird, lässt sich noch nicht sagen. Momentan sieht es jedoch danach aus, dass sich eine von zwei Visionen durchsetzen wird.

Das erste Szenario ist ein Metaverse, das allen offen steht, das zweite eines, das de facto von einigen wenigen kontrolliert wird.

Eine extreme Version des Letzteren wird in Snow Crash beschrieben, dem Science-Fiction-Roman aus den frühen 1990er Jahren, der den Begriff Metaverse prägte. In dem Buch kontrolliert ein Unternehmen, die Global Multimedia Protocols Group, alle Immobilien auf der Straße, der einzigen Straße, die einen ansonsten eintönigen virtuellen Planeten umspannt.

Damit hat Neal Stephenson in seinem Roman ein auf geradezu unheimliche Weise prophetisches Szenario beschrieben. Als er  Snow Crash  schrieb, steckte das Internet noch in den Kinderschuhen. Heute, 30 Jahre später, haben wir ein weltumspannendes Netz, in dem es zwar kein Monopol an sich gibt, das aber im Wesentlichen von einer Handvoll von Tech-Titanen beherrscht wird.

Auf eine solche Entwicklung waren die politischen Entscheidungsträger nicht vorbereitet. Umso verzweifelter versuchen sie jetzt, Versäumtes nachzuholen und nicht noch einmal den gleichen Fehler zu machen. Allein in den USA sind mit Verspätung zahlreiche Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht worden, mit denen die Internetgiganten stärker in die Schranken gewiesen werden sollen.

Das Metaverse haben die Wettbewerbsbehörden jetzt besonders im Visier. Nach öffentlichen Verlautbarungen geht die US-Kartellbehörde, die Federal Trade Commission (FTC), bereits davon aus, dass Meta – ehemals Facebook – wettbewerbswidrige Praktiken anwenden will, um Mark Zuckerbergs Traum eines „verkörperten Internets“ zu verwirklichen.

Vom Ausgang der Schlacht, die sich hier abzeichnet, könnte viel abhängen – für Anleger noch viel mehr als für leidenschaftliche Fortnite-Spieler. Als jemand, der sowohl an das Primat der freien Märkte als auch an die enorme disruptive Kraft der Innovation glaubt, bin ich davon zumindest überzeugt. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Metaverse

Reale Möglichkeiten in virtuellen Welten.

Es ist nicht nur eine neue Stufe der digitalen Evolution, es ist unserer Meinung nach eine der größten Revolutionen seit der Erfindung des World Wide Web.

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„Kopieren, übernehmen, töten“

Die Unfähigkeit der Regulierungsbehörden, mit der Innovation Schritt zu halten, wird auch unter dem Begriff „Pacing Problem“ zusammengefasst. Er beschreibt eine Politik, die nur ex post lenkend in Innovationsprozesse eingreift. Der eiserne Griff der Big-Tech-Oligarchie ist ein klassisches Beispiel für dieses Phänomen, das am deutlichsten wohl in der bisherigen Dominanz von Facebook in den sozialen Medien zum Ausdruck kommt.

Facebook hat fast 20 Jahre damit verbracht, seine Vormachtstellung zu festigen. Entscheidend für den Aufstieg des Social-Media-Giganten waren Zukäufe anderer Startups wie Instagram und WhatsApp – ein Vorgehen, das Kritiker als „copy, acquire and kill“-Taktik (kopieren, übernehmen, töten) bezeichnen, da es Facebook dabei vor allem darum gegangen sei, potenzielle Wettbewerber auszuschalten.

Im Jahr 2020 nahm die US-Kartellbehörde diese Käufe zum Anlass, Klage gegen Facebook einzureichen. Dabei zitierte die Behörde zahlreiche interne E-Mails zwischen Facebook-Managern, aus denen die wettbewerbsfeindlichen Intentionen des Unternehmen ihrer Ansicht nach klar hervorgingen. So habe Facebook-Gründer Zuckerberg selbst in einer E-Mail geschrieben: „It is better to buy than compete“ („Es ist besser zu kaufen als zu konkurrieren“).

Im Oktober 2020 veröffentlichte der Unterausschuss für Kartell-, Handels- und Verwaltungsrecht des US-Kongresses dann nach einer 16-monatigen Untersuchung mehrere Empfehlungen zur Förderung des Wettbewerbs auf den Technologiemärkten. Im Juni 2021 brachte der Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses sechs entsprechende Gesetzesentwürfe auf den Weg.

Diese nennen keine bestimmten Unternehmen, zielen jedoch offensichtlich auf führende Technologieplattformen ab. Dabei geht es um Themen wie Fusionen und Übernahmen, Datenakkumulation und die Eigenbevorzugung – eine umstrittene Praxis von Unternehmen wie Amazon, Apple und Google.

Entsprechende Regulierungsvorstöße gibt es auch in anderen Ländern und Wirtschaftsräumen wie der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich, Australien und Südkorea. Aufgrund des „Pacing Problems“ laufen die Regulierer der Entwicklung jedoch überall hinterher. Es geht voran, aber nur langsam und mühevoll.

Unterdessen mehren sich, wie so oft, die Anzeichen dafür, dass sich die Lehren der Geschichte wiederholen – wenn nicht gar die Geschichte selbst. Dem einst als Facebook bekannten Unternehmen wird jetzt vorgeworfen, sich zusammen mit anderen Technologiekonzernen einen weiteren aufstrebenden Markt einzuverleiben.

Big Tech wieder auf dem Vormarsch

Im Jahr 2014, lange bevor das Metaverse in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, übernahm Facebook Oculus, einen Hersteller von VR-Headsets. Sieben Jahre später wurde aus Facebook Meta und heute hat seine Oculus Quest 2 Marke einen Anteil von rund 75% am gesamten VR-Brillen-Absatz.

Ein Grund für diese Dominanz könnte sein, dass die Oculus-Headsets mehrere hundert Dollar billiger sind als alle vergleichbaren Geräte. Berichten zufolge untersucht die FTC derzeit, ob die Geräte absichtlich mit Verlust verkauft werden.

Mindestens ein Startup am Markt für VR-Headsets hat sich öffentlich darüber beschwert, dass es unmöglich sei, mit Oculus‘ Kombination von Spitzentechnologie und Niedrigstpreis zu konkurrieren. Doch das ist natürlich nicht ganz richtig.

Es gibt durchaus Unternehmen, die es mit Oculus aufnehmen – bezeichnenderweise gehören dazu auch Apple und Google. Wie es heißt, arbeiten beide an VR-Headsets, die sowohl technisch als auch preislich konkurrenzfähig sein werden.

Unterdessen hat Meta mit Within auch einen auf VR- und AR-Produkte, -Inhalte, -Software und -Tools spezialisierten Anbieter übernommen. Ob dieser Deal mit einem Wert von schätzungsweise 400 Millionen US-Dollar durchgezogen werden kann, hängt von einer weiteren laufenden FTC-Untersuchung ab. Darüber hinaus hat Meta mehrere VR-Spieleentwickler wie Downpour Interactive, Unit 2 Games, BigBox VR, Beat Games und Sanzaru Games aufgekauft.

Aber auch Microsoft ist nicht untätig: Im Januar dieses Jahres gab der Tech-Riese Pläne für die Übernahme von Activision Blizzard bekannt, einem der größten Spieleunternehmen der Welt. Der Kaufpreis wird auf rund 70 Milliarden Dollar beziffert. Auch dieser Deal hat die FTC auf den Plan gerufen.

Angesichts dieser und weiterer Entwicklungen ist verständlich, warum es allgemein heißt, dass nur die großen Anbieter im Metaverse erfolgreich sein werden. Genauso nachvollziehbar ist vor diesem Hintergrund die Sorge, dass alle anderen vor einem Dilemma stehen, das der Wahl zwischen Pest und Cholera gleichkommt: entweder einer Einverleibung durch einen der Tech-Giganten zuzustimmen oder die so gut wie unvermeidliche Auslöschung zu akzeptieren.

Argumente für ein offenes Metaverse

In einem Interview warnte der Epic Games-Chef Tim Sweeney im vergangenen Jahr vor einem neuen Online-Oligopol. „Heutzutage ist es die gängige Praxis von Technologieunternehmen, einfach alles zu tun, womit sie glauben durchzukommen“, sagte er, „und das ist absolut inakzeptabel.“

Sweeney ist einer der größten Befürworter eines offenen Metaverse in der Branche. Er brachte seine Haltung deutlich zum Ausdruck, als Epic im Jahr 2017 das Spiel Fortnite – einen Meilenstein im Aufbau virtueller Umgebungen – auf den Markt brachte.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem es eine plattformübergreifende Kompatibilität noch so gut wie gar nicht gab, ermutigte Sweeney die bekanntesten Namen der Branche zur Zusammenarbeit. Dank seiner Überzeugungskraft konnten Nutzer verschiedener Spielekonsolen gemeinsam Fortnite spielen.

Im August 2020 war es damit vorbei, als Apple Fortnite aus seinem App Store verbannte, nachdem Epic sein eigenes In-App-Bezahlsystem eingeführt hatte. Später zogen beide vor Gericht, wobei Epic die Rechtmäßigkeit der 30-prozentigen Provision und Zahlungsbeschränkungen von Apple anfocht.

Epic klagte auch gegen Google. „Apple und Google kassieren süße Steuern, indem sie uns unser Geld abnehmen – an dessen Erwirtschaftung sie nicht beteiligt waren –, und zwingen uns dazu, ihre Dienste zu nutzen“, sagte Sweeney im vergangenen Jahr. Unter zahlreichen Einsprüchen dauert der Rechtsstreit an.

Bei aller juristischen Komplexität ist Sweeneys Argument recht einfach. Er ist ein Anhänger des Metcalfe-Gesetzes, wonach der Wert eines Netzwerks mit der Anzahl der Nutzer steigt.

„Der Vorteil von mehr Aktivität und einem für alle offenen Umfeld ist viel größer als jeder vorübergehende Lock-in-Vorteil“, sagte Sweeney über die künftige Architektur des Metaverse. „Wir wollen, dass alle Komponenten des Systems aus eigenem Verdienst bestehen und nicht aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung oder Marktmacht, die ihre Nutzung quasi erzwingt .... Nur so erreicht man eine wirklich robuste, freie und faire Wirtschaft.“

Oligopol oder aufgeklärtes Eigeninteresse

Zu den Befürwortern eines offenen Metaverse gehört auch Roblox. Nur wenige Monate nach seinem Börsengang im Jahr 2021 stellte das Unternehmen Pläne für den Aufbau einer virtuellen Umgebung rund um seine Nutzergemeinschaft vor. Wie das Unternehmen stets betont hat, sollen die Nutzer selbst einen Großteil der Aufbauarbeit leisten. Wie bei Unity, einer weiteren angesehenen Plattform, beruht das Roblox-Geschäftsmodell darauf, dass die Nutzer Inhalte erstellen und monetarisieren.

Selbst Snow Crash-Autor Neal Stephenson ist jetzt aktiv geworden, um das Schreckgespenst einer realen Global Multimedia Protocols Group abzuwenden. Mit seinem Lamina1-Projekt startet der Mann, dem die Erfindung des Metaverse zugeschrieben wird, jetzt sein eigenes Metaverse. „Es gibt viele Menschen, die in das Metaverse einsteigen wollen, um ihre Träume zu verwirklichen, ihre Ideen umzusetzen, ihre kreativen Vorstellungen oder ihre kommerziellen Ambitionen zu realisieren“, sagte er Anfang dieses Jahres.

Sweeney zufolge wäre ein wirklich offenes Metaverse spektakulärer Ausdruck eines aufgeklärten Eigeninteresses – ein philosophisches Konzept, wonach diejenigen, die anderen helfen, letztlich sich selbst helfen.

Als Investoren könnten wir sehr wahrscheinlich von einem Metaverse profitieren, in dem die Tech-Giganten ihre Herrschaft aufrechterhalten. Auch sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass Märkte von Natur aus darwinistisch und leistungsorientiert sind – allein deshalb ist es normal, dass die etablierten Leviathane von Zeit zu Zeit ihre Muskeln spielen lassen.

Langfristig neigen Oligopole jedoch dazu, Innovation zu ersticken. Dagegen dürfte eine gesunde Mischung aus Wettbewerb und Kooperation den Fortschritt weiter vorantreiben. Sowohl Anlegern als auch Verbrauchern bieten Märkte in der Regel mehr Möglichkeiten, wenn neue Marktteilnehmer das Gefühl haben, gute Überlebens- und Erfolgschancen zu haben.

In diesem Sinne können Wettbewerbsgesetze den Aufbau des Metaverse unterstützen – und sei es nur, indem sie Big Tech für ein paar Jahre bürokratische Fußfesseln anlegen. Wir werden sehen.

Investoren können ihren Teil dazu beitragen, indem sie attraktive Metaverse-Unternehmen in allen Marktkapitalisierungsklassen identifizieren und unterstützen. Und indem sie nicht vergessen, dass die Attraktivität eines Anlageuniversums – genauso wie die eines virtuellen Universums – auch von der Vielfalt und dem Facettenreichtum seiner Bestandteile abhängt.

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    Stand der Daten: August 2022

     

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    EMEA 2332813/2022