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Drei Themen, die weiter für Unruhe an den globalen Märkten sorgen könnten

Drei Themen, die weiter für Unruhe an den globalen Märkten sorgen könnten
Drei Themen, die weiter für Unruhe an den globalen Märkten sorgen könnten

Die Märkte haben eine folgenschwere Woche hinter sich, in der der Coronavirus die Börsen in den Angst-Modus versetzt hat. Die Aktienkurse brachen ein und Staatsanleihen rentierten niedriger. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe (Treasury) ist innerhalb von nicht einmal zwei Wochen von über 1,8% auf 1,51% gesunken, während die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe von -0,22% auf -0,44% gefallen ist.1

Meines Erachtens sollten sich Anleger auch in dieser Woche auf erhöhte Marktschwankungen mit Ausschlägen nach oben und unten einstellen. Ich werde vor allem drei Dinge im Auge behalten:

  1. Die Vorwahlen in Iowa. Die Wähler in Iowa entscheiden, welcher Kandidat der Demokraten ihrer Ansicht nach ins US-Präsidentschaftsrennen gehen sollte. Die jüngsten Umfragen signalisieren, dass Bernie Sanders diese Vorwahl gewinnen dürfte, was einige Marktbeobachter besorgt über einen möglichen Ausverkauf an den Märkten stimmt. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass eine Vorwahl noch nichts entscheidet. Erst nach vielen weiteren Abstimmungen steht der Präsidentschaftsbewerber der Demokraten wirklich fest. Ich gehe davon aus, dass noch länger offen bleiben wird, wer es am Ende mit Donald Trump aufnimmt. Daher kann ich nur nochmals betonen, dass sich die Anleger in diesem Winter und Frühjahr auf weitere schwankungsreiche Wochen an den Märkten einstellen sollten, da die Vorwahlen einige unerwartete Wendungen und Überraschungen bringen könnten. Einen Grund für Panik sehe ich allerdings nicht — auch dann nicht, wenn ein progressiverer Kandidat nominiert und letztlich zum Präsidenten gewählt werden sollte. Die Gewaltenteilung in den USA schränkt die Machtbefugnisse jedes Präsidenten erheblich ein, und politische Programme, die als wachstumsgefährdend betrachtet werden, dürften auf starken Widerstand stoßen.
  2. Die Verhandlungen über die Handelsbeziehungen nach dem Brexit. Am Freitagabend verglich der britische Premierminister Boris Johnson den offiziellen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) und den Beginn der „Übergangsphase“ mit dem „Anbruch einer neuen Ära“. Er feierte das Ereignis als „Moment der echten nationalen Erneuerung und des Wandels“. Das allerdings war der einfache Teil. Jetzt beginnt eine Phase intensiver Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU, in denen es nicht nur um die künftigen Handelsbeziehungen geht, sondern auch um Themen wie Sicherheit, Energie, Fischerei und Daten — die alle innerhalb von elf Monaten abgearbeitet werden müssen.

    Da Boris Johnson eine Verlängerung der Übergangsphase über den 31. Dezember 2020 hinaus bekanntermaßen ausgeschlossen hat, bleibt nur sehr wenig Zeit, um viele große Ziele zu erreichen. Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU werden nicht einfach sein. Um für einen fairen Wettbewerb mit den EU-Staaten zu sorgen, besteht die EU darauf, dass Großbritannien hohen Standards zustimmt. So erklärte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen: „Ohne gleiche Wettbewerbsbedingungen bei Umwelt, Steuern, Arbeit und Staatshilfen wird es keinen vollwertigen Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt geben.“ Boris Johnson hat bereits einen aggressiven Ton angeschlagen und gedroht, die EU ohne ein Abkommen zu verlassen.

    Falls Großbritannien ohne ein Abkommen aus der EU herausbrechen sollte, würden für die Handelsbeziehungen mit der EU nach 2020 die WTO-Regeln gelten. Das wiederum brächte natürlich höhere Zölle und andere Einschränkungen mit sich, die für beide Seiten unvorteilhaft wären. Die britische Regierung steht unter Druck — vor allem von den Lobbyisten der britischen Industrieunternehmen —, eher früher als später für mehr Klarheit im Hinblick auf die künftigen Handelsbeziehungen mit der EU zu sorgen. Dieser Druck dürfte weiter zunehmen, da die Unternehmen Planungssicherheit brauchen — und eine größere Quelle wirtschaftspolitischer Unsicherheit als diese gibt es wohl kaum. Wir werden die diesbezüglichen Entwicklungen genau im Auge behalten.
  3. Coronavirus. An den chinesischen Finanzmärkten wurde am Montag nach einer verlängerten Pause anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes der Handel wieder aufgenommen. Zum Handelsauftakt sackten die Börsen von Shenzhen und Shanghai um -9% bzw. -8,7% ab.2 Vor Öffnung der Märkte zeigte sich die chinesische Regierung, wie von mir erwartet, sehr aktiv und mehrere chinesische Regulierungsbehörden, Ministerien und Kommunalregierungen kündigten Interventionen an, um die negativen Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft einzudämmen. Insgesamt kündigte die chinesische Regierung über fünf Ministerien und Regulierungsbehörden 30 Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft an. Die chinesische Zentralbank stellte den Geschäftsbanken über sogenannte Repogeschäfte1 1,2 Billionen Yuan (rund 156 Milliarden Euro) Liquidität zur Verfügung. Außerdem senkte sie die sieben- und 14-tägigen Reverse-Repo-Sätze2 um zehn Basispunkte auf 2,4% bzw. 2,55%.3

    Das neuartige Coronavirus verbreitet sich sehr schnell; die Infizierten-Zahlen übersteigen die der SARS-Epidemie (SARS = „Severe Acute Respiratory Syndrom“) des Jahres 2003 bereits deutlich. Allerdings scheint die Sterblichkeitsrate erheblich niedriger zu sein als bei den früheren Coronavirus-Ausbrüchen der Varianten SARS und MERS (MERS = „Middle East Respiratory Syndrome“). In einigen Ländern scheinen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu wirken, aber nur die Zeit wird zeigen, wie es mit dieser Epidemie weitergeht. Ausgehend vom heutigen Informationsstand rechnen wir damit, dass der Coronavirus-Ausbruch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in China und Asien im ersten Quartal 2020 am stärksten belasten wird und die Auswirkungen im zweiten Quartal bereits etwas geringer sein werden. Im Vergleich zum SARS-Ausbruch im Jahr 2003 wird dieses Mal in der Anfangsphase mit größeren negativen Auswirkungen gerechnet, da die Anzahl der Neuansteckungen in diesem Quartal ihren Höhepunkt erreichen dürfte. Zurzeit gehen wir davon aus, dass die Neuinfektionen im Verlauf des zweiten Quartals etwas zurückgehen werden, da China und andere Staaten schneller reagiert und eine deutlich transparentere Informationspolitik verfolgt haben als 2003. Mit dem Rückgang der Neuinfektionen — und der Wiederbelebung des Konsums sowie der positiven Auswirkungen des „Phase 1“-Handelsabkommens auf das Geschäfts- und Konsumklima — dürfte sich auch die Wirtschaft bis zum Ende des zweiten Quartals wieder erholen und im dritten Quartal dann noch mehr Fahrt aufnehmen. An den Aktienmärkten muss zwar weiter mit einer erhöhten Volatilität gerechnet werden. Wir halten es aber für wahrscheinlich, dass sich der Markt bereits vor der Verbesserung der Wirtschaftsdaten erholt, zumal sowohl China als auch die US-amerikanische Notenbank (Fed) bereitstehen, um der Wirtschaft bei Bedarf unter die Arme zu greifen.

Neben diesen Sorgenfaktoren werden wir auch die in dieser Woche anstehenden Konjunkturdatenveröffentlichungen im Blick haben. Zum ersten Mal seit mehreren Monaten machen sich die Marktteilnehmer wieder Sorgen über das globale Wirtschaftswachstum, was nicht zuletzt an der raschen Verbreitung des Coronavirus liegt. Selbst in den USA sind einige Wirtschaftsdaten zuletzt enttäuschend ausgefallen. Besonders heftig war der Rückgang des am vergangenen Freitag veröffentlichten Chicago Purchasing Managers' Index (PMI). Der Einkaufsmanagerindex ist von 48,9 Punkten im Dezember auf 42,9 Punkte eingebrochen. Darüber hinaus signalisieren Daten aus der letzten Woche, dass die Insolvenzen in der US-amerikanischen Landwirtschaft im Jahr 2019 trotz massiver Staatshilfen um 20% gestiegen sind.4

In der kommenden Woche werden wir die neuesten Konjunkturdaten und vor allem die Frühindikatoren genau verfolgen. Dabei werde ich insbesondere die neuesten ISM-Einkaufsmanagerindex-Daten im Auge haben sowie die Arbeitsmarktberichte aus den USA und Kanada. Auch die Wirtschaftsprognose der Europäischen Kommission könnte aufschlussreich sein. Am meisten interessiert mich allerdings der Halbjahresbericht über die Geldpolitik der Fed4, der am Freitag veröffentlicht wird und mit dem die Fed den Kongress regelmäßig im Detail über die Entwicklung der Wirtschaft und der Finanzmärkte, die Geldpolitik und ihren Ausblick informiert. Die Fed wählt häufig ein oder mehrere Schwerpunktthemen für ihren Halbjahresbericht, was uns Anhaltspunkte dazu geben könnte, was die Notenbank derzeit am stärksten umtreibt. Da die Geldpolitik der aktuell wohl größte Einflussfaktor für die Märkte ist, gehört dieser Bericht für uns zur Pflichtlektüre.

Mit Beiträgen von David Chao (Global Market Strategist, Asien-Pazifik).

Verkauf von Wertpapieren mit gleichzeitigem Rückkauf auf Termin.

Repogeschäft aus Sicht des Liquiditätsgebers.

US-Notenbank (Federal Reserve System).

Quellen

  • 1 Quelle: Bloomberg, L.P., Stand 31. Jan. 2020.
  • 2 Quelle: Bloomberg, L.P., Stand 3. Feb. 2020.
  • 3 Quelle: Reuters, Stand 2. Feb. 2020.
  • 4 Quelle: ISM-Chicago Business Survey, 31. Jan. 2020.

Risikohinweis

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  • Daten vom 3. Februar 2020, sofern nicht anders angegeben.
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  • Der Purchasing Managers Index (PMI) (Einkaufsmanagerindex) wird vom Institute of Supply Management in den USA berechnet und ist ein vielbeachteter Indikator der wirtschaftlichen Lage im verarbeitenden Gewerbe.
  • Der ISM Manufacturing Index, für den das Institute of Supply Management mehr als 300 Einkaufsmanager aus dem verarbeitenden Gewerbe befragt, berücksichtigt die Beschäftigung in den Unternehmen, die Bestandshaltung, die Auftragseingänge und die Lieferzeiten der Lieferanten.
  • Der ISM Non-Manufacturing Index, für den das Institute of Supply Management Einkaufsmanager des nicht-verarbeitenden Gewerbes befragt, berücksichtigt die Geschäftstätigkeit, die Auftragseingänge, die Beschäftigung in den Unternehmen und die Lieferzeiten der Lieferanten.
  • EMEA986/2020